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Verbandsbeschwerde gutgeheissen: Behörden müssen Umweltverträglichkeit von Pestiziden besser prüfen

Mit Urteil vom 30. April 2025 (2C_341/2023) hebt das Bundesgericht die Bewilligung für erweiterte Anwendungsbereiche eines Pflanzenschutzmittels auf, welches Tefluthrin – ein synthetisches Insektizid – enthält. Die Risikoprüfung der Zulassungsbehörden war insbesondere hinsichtlich der Auswirkungen auf Nichtzielorganismen und Gewässer mangelhaft.

Seit 2012 besitzt die Syngenta Agro AG eine Zulassung für das genannte Pflanzenschutzmittel, beschränkt auf den Einsatz bei Futter- und Zuckerrüben. 2020 beantragte sie die Erweiterung der Zulassung auf weitere Kulturen wie Mais, Getreide und Chicorée. Das Bundesamt für Landwirtschaft stimmte zu. Dagegen erhob Greenpeace Verbandsbeschwerde, welche vom Bundesverwaltungsgericht abgewiesen wurde. Nun hielt das Bundesgericht fest, dass die zuständigen Behörden die Umweltrisiken unzureichend geprüft haben. Dabei wurde nicht die Grundsatzbewilligung für den Wirkstoff Tefluthrin selbst infrage gestellt – diese war bereits erfolgt. Bei der Erweiterung des Anwendungsbereichs des Wirkstoffs handle es sich jedoch um ein eigenständiges Verfahren mit eigenem Beurteilungsspielraum für Umweltwirkungen. Besonders deutlich kritisierte das oberste Gericht, dass das Risiko eines Eintritts in Oberflächengewässer – insbesondere über Drainagerohre – übergangen wurde. In Bezug auf die Auswirkungen auf Nichtzielarten (z.B. Nützlinge) kritisierte die Beschwerdeführerin die sogenannte Erholungsthese. Diese erlaubt es, temporäre Schäden an Insektenpopulationen zu akzeptieren, sofern sie sich – etwa durch Wiederbesiedlung aus benachbarten, unbehandelten Flächen – innerhalb eines Jahres erholen. Das Bundesgericht anerkennt diese Methodik grundsätzlich, betonte aber, dass ihre Anwendung an klare Voraussetzungen geknüpft ist. So müsse gewährleistet sein, dass tatsächlich geeignete unbehandelte Flächen in erreichbarer Nähe vorhanden sind und dass zwischen mehreren Anwendungen genügend Regenerationszeit liegt. Diese Konkretisierung fehlte im vorliegenden Fall.

Das Urteil hat weitreichende Bedeutung: Die Zulassungsbehörden dürfen sich nicht allein auf pauschale Risikotheorien stützen, sondern müssen nachweisen, dass deren konkrete Voraussetzungen auch unter realen agrarischen Bedingungen erfüllt sind. Das zuständige Bundesamt soll nun unter anderem die Risiken für Wasserorganismen vollständig prüfen, die räumliche und zeitliche Umsetzbarkeit der Erholungsthese bewerten und gegebenenfalls die Anwendungsbedingungen (z.B. Gebietsbegrenzung, zeitliche Auflagen) anpassen. Die erweiterte Zulassung des umstrittenen Pflanzenschutzmittels bleibt also vorerst blockiert. Der Entscheid unterstreicht zudem die Bedeutung der gerichtlichen Kontrolle im Bereich des Umweltschutzes im Rahmen der Verbandsbeschwerde.


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