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Ärzte haben keine Rechte, Ärzte haben Macht, Patienten haben Rechte, doch selten haben sie recht.

Zielsetzung meines Referats ist es, auf die sozialen Funktionen des Rechts hinzuweisen und dabei aufzuzeigen, dass das Recht auch im Gesundheitswesen durchaus nicht nur Einschränkung und Belastung bedeuten könnte, sondern Verhalten in wünschenswerter Weise normativ steuern kann. Voraussetzung ist die Bereitschaft, unsere Mythen in Frage zu stellen, auch die negativen-Gefahren-Mythen (von amerikanischen Verhältnissen usw.).

Ausgangspunkt ist ein Paradox: Wir leben in einer offenen Gesellschaft befreit von den überkommenen religiösen, sozialen und gesellschaftlichen Korsetts, befreit von den alten Autoritäten, von den Patrons, den Göttern in Weiss und den Pfarrherren. Der Traum vom eigenverantwortlichen und selbstbestimmenden Individuum hat sich - nicht zuletzt dank der stürmischen 68er Generation — ist allgegenwärtig. Was erleben wir aber tagtäglich? Als Individuum allein sind wir überfordert, das Spezialwissen ist übergross, ob es um die Einrichtung einer Computeranlage, um die Reparatur eines Autos oder um eine Operation geht. Die Last und die Knechtschaft der Freiheit (Pascal Bruckner), unser Versagen, unsere Bequemlichkeit. Die Notwendigkeit, uns als autonome Individuen zu verstehen, die für ihre Handlungen und Niederlagen verantwortlich sind, schweisst uns mit allen Ängsten und aller Einsamkeit zusammen (Pascal Bruckner). Und in dieser Einsamkeit suchen wir - das ist das Paradoxe - Zuflucht zu neuen Autoritäten, vorallem zum Recht. Die Menschen sind rechtsfixiert geworden. Das Recht ist die Autorität der Neuzeit, die Juristen die Repräsentanten dieser Ersatzautorität, getragen und genährt wird von der Fiktion, das Recht enthalte den demokratisch ausgehandelten Ausgleich von Interessen, oder wie Rousseau geschrieben hat: Zwischen dem Starken und dem Schwachen ist es die Freiheit, die unterdrückt und das Gesetz, das befreit.

Gesetze als Folge von Veränderungen: Diese Entwicklung ist keineswegs nur negativ zu beurteilen, sie verdient konstruktiv-kritisch reflektiert zu werden. Das Aufkommen neuer Rechte ist immer Ausdruck und Folge bzw. Reaktion von Krisen, sozialem Ungleichgewicht, unkontrollierten Entwicklungen, von Missbrauch. Auf solchem Nährboden haben nach dem zweiten Weltkrieg gesetzliche Bestimmungen zum Reiseveranstaltungsrecht, zum Haustürverkauf, zum unlauteren Wettbewerb in der Wirtschaft, zum Mietzinsmissbrauch und zu missbräuchlichen Kündigungen entstehen können. Und gleiches gilt für das Arzt- und Patientenrecht entstanden. Gesetzliche Normierung gedeiht dort besonders gut, wo Strukturen, Apparate und Techniken übermächtig werden, wo die Veränderungen dramatische Ausmasse angenommen haben. Das sollten wir auch in diesem Kreis beachten.

Die Funktionen des Rechts: Das Recht leistet in mindestens zweierlei Hinsicht einen positiven Beitrag: Einerseits zur Identitätsfindung der Beteiligten generell: wer bin ich, Auftraggeber oder Beauftragter, vom Staat bezahlter Beamter oder freischaffender Unternehmer. Anderseits zur Konfliktbereinigung im Krisen-oder Schadensfall: Welche Spielregeln gelten? Gesetze und Gerichte klären umstrittene Fragen. Dass Patienten einen Aufklärungs- und Informationsanspruch haben, weil dies Voraussetzung der Selbstbestimmung ist, dass die Schutzimpfung und die obligatorischen Schirmbilduntersuchungen gegen den Willen der fundamentalistisch denkenden Eltern zulässig sind, dass die zwangsweise ärztliche Begutachtung eines Tatverdächtigen nach einer Vergewaltigung zulässig ist, dass Organentnahmen zwar grundsätzlich zulässig sind, nicht aber gegen den geäusserten Willen eines Verstorbenen oder seiner Angehörigen vorgenommen werden dürfen, klärten in den letzten zwanzig Jahren Branchen-Richtlinien (z..B. der SAMW), Verordnungen, Gesetze und Gerichte

Dabei wird in jüngerer Zeit die normative Funktion des Rechts, die Tendenz, Handlungsanleitungen zu formulieren, um das Verhalten der Menschen zu steuern, immer deutlicher: So hat das Bundesgericht im Zusammenhang mit Organentnahmebestimmungen entschieden, dass zwar eine ausdrückliche Zustimmung nicht eingeholt werden müsse, solches demzufolge zulässig sei, solange kein Verbot ausgesprochen werde. Spitäler seien aber verpflichtet, die Patienten und Angehörigen über diese Rechte zu informieren. Die soziale Funktion des Rechts ist hier nicht auf Konfliktbereinigung, sondern auf Verhaltenssteuerung ausgerichtet. (Anmerkung: Neben diesen beiden erstgenannten sozialen Funktionen gewinnt unter dem Kostendruck mehr und mehr auch die Planungsfunktion des Rechts an Bedeutung).(Folie)

Auch die beste Kodifizierung kann nicht verhindern, dass es kaum zu regelnde und nur im Einzelfall zu entscheidende Grenzbereiche gibt. Die Gefahr einer zunehmenden Verrechtlichung besteht dort, wo Politiker, Interessenvertreter und Juristen auch in die letzten Grenzbereiche vorstossen wollen, nicht akzeptierend, dass das Recht Werte, Leitplanken und Konfliktregelungsmuster festlegen soll, nicht aber die Wertentscheidung in jedem Einzelfall.

Der Jurist als willkommener Sparringpartner: Dass die Wertentscheidungsfindung ein spannender Prozess sein kann und dass die Juristen dabei nicht nur Konfliktpartner, sondern konstruktive, wenn auch nicht immer bequeme Sparringpartner sein könnten, müsste wir uns alle - Ärzte, Pflegepersonal, Patienten und Juristen - vermehrt bewusst sein. Es setzt sich im modernen Verständnis von Juristerei mehr und mehr die Erkenntnis durch, dass es nicht nur - oder nicht in erster Linie - darum geht, wer hat Recht und wer hat Unrecht, sondern um den vermittelnden Interessenausgleich. Mediation und Moderation muss, so gesehen, bei Ärzten gleichermassen zum Thema werden wie bei den Juristen. Statt Gräben aufzureissen, sollten wir gemeinsam den trennenden Abgrund überbrücken. Das ist ein interdisziplinärer Prozess. Ärzte allein wären bei solche sensiblen Konstruktionen überfordert. Wie Juristen allein überfordert wären.

Die Qualität unseres Handelns entsteht aus der Komplexität des Zusammenwirkens unterschiedlicher Kräfte (Stichworte: Krisenmanagement, Kommunikationsstrategie, "stiller Ombudsman"). Auf solchem Boden hätten dann mit einem Mal Ärzte auch Rechte und Patienten ebenfalls Macht. Und beide würden daran denken, dass sie nebst Rechten und Ansprüchen auch Pflichten und Eigenverantwortung haben - von welcher Ärzte nicht nur dann sprechen sollten, wenn es darum geht, Anliegen und Wünsche anderer Konfliktparteien abzuwehren. Denn beide - Arzt und Jurist - sind als Beamte oder private Unternehmer immer im Auftrag anderer tätig. Das schliesst immer mehr Pflichten als Rechte ein.

 

G&G weist sich aus durch juristische, psychologische und unternehmerische Kompetenz. Wir profitieren beide von einer vielfältigen Berufs- und Lebenserfahrung, ganz besonders bei betrieblicher und familiärer Beratung und Mediation.

Schwerpunkte Advokaturbüro Dr. iur. Bruno Glaus, Rechtsanwalt:

Allgemeinpraxis (auf die regionalen Bedürfnisse ausgerichtet): Allgemeinpraxis: Ehe- und Konkubinatsverträge; Erbverträge, Testamente; Scheidungen, Vertrags- und Haftpflichtrecht sowie Gesellschaftsgründungen und Beurkundungen;
(Zulassungsbewilligung in SG, GL, SZ und ZH).

"Spezialitäten" (auch überregional): Konflikt- und Kommunikationsberatung in mittleren und grossen Betrieben einschliesslich juristische Lösungsangebote, Verwaltungsratsmandate; medienrechtliche Beratung im Umgang mit Medien und geistigem Eigentum; Opfervertretung in Strafverfahren.

Ausbildungsangebote zum Spannungsfeld Selbstbestimmungsrecht und Öffentliches Interesse (in Spitälern, Betrieben etc.), Dozent am Schweizerischen PR-Institut und an der Schule für angewandte Linguistik.

Publikationen: langjährige Gerichtsberichterstattung für den "Tages-Anzeiger" in Straf- und Zivilsachen, Handbücher zum Patienten- und Haftpflichtrecht , Rechtsratgeber für die "TAT", Dissertation zum "Recht am eigenen Wort", Serien zum Reise- und zum geistigen Eigentum.

 

von Dr. iur. Bruno Glaus


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