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Agenturen haften immer für Sorgfalt

Die BSW/ASW-Grundsätze enthalten keine Klausel zur Haftung. Deshalb wollen einzelne Agenturen mit Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) ihre Haftung beschränken. Völlig kann die Haftung allerdings nicht wegbedungen werden.

Auch im Werbebereich gilt als Grundsätz die Vertragsfreiheit (Privatautonomie). Werbeauftraggebern und Agenturen ist es erlaubt, ihre Geschäftsbeziehungen frei zu regeln. Dabei haben sie allerdings die zwingenden gesetzlichen Vorschriften zu beachten.

Vertragsfreiheit im Werbebereich
Vor diesem Horizont sind auch die Enthaftungs-Klauseln zu prüfen. Die Vertragsparteien können die (nicht zwingende) gesetzliche Haftung präzisieren, einschränken oder völlig wegbedingen, sie können sie aber auch erweitern (was eher selten vorkommt). Erweiterte Haftung kann beispielsweise Haftung für zufälligen Untergang von Unterlagen beinhalten oder Haftung für technischen Support oder Backup von EDV-betriebenen Installationen bei Multimedia-Vorführungen.

"Freizeichnungs-Klauseln"
Es ist zulässig, die Haftung einzuschränken auf grobes Verschulden oder die Haftung auf einen bestimmten Maximalbetrag zu beschränken. So darf bei Kaufgeschäften (und auch bei Auktionen) sowie bei Werkverträgen die Haftung des Verkäufers oder Herstellers bezüglich Sachmängeln auf absichtliche Täuschung beschränkt werden (Art.199, 234 Abs.3 und 365 OR, BGE 123 III 165ff.). Kaum ein Werbeauftraggeber dürfte sich allerdings mit einer solchen "Freizeichnungs-Klausel" einverstanden erklären.

Schranke 1: Grobfahrlässigkeit
Gesetze schränken die Möglichkeit der Enthaftung mit sogenannt "zwingenden" Bestimmungen ein. Die Hauptschranke ist in Art. 100 des Obligationenrechts zu finden: "Eine zum Voraus getroffene Verabredung, wonach die Haftung für rechtswidrige Absicht oder grobe Fahrlässigkeit ausgeschlossen sein würde, ist nichtig". Zulässig ist somit lediglich der Haftungsausschluss für gewöhnliche (mittlere) und leichte Fahrlässigkeit. Wie im Einzelnen die Schranken liegen, ist ein Tummelfeld für richterliches Ermessen. Wo die Haftung auf einen bestimmten Betrag beschränkt wird, ist diese Beschränkung nicht wirksam für absichtliches oder grobfahrlässiges Handeln. Eine Freizeichnungsklausel "für jedes Verschulden" ist zwar nicht völlig ungültig, jedoch nicht anwendbar für Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit.

Schranke 2: Sorgfalt
Wo Agenturen nur, aber immerhin, als Berater tätig sind, haften sie für getreue und sorgfältige Ausführung des Auftrags (wie ein Arzt, Treuhänder oder Anwalt). Daraus schliesst ein Teil der Rechtsgelehrten, dass der Ausschluss oder die Beschränkung der Haftung ungültig sei, weil das sorgfältige Tätigwerden das vertragstypische Element sei. Ein Anwalt oder Arzt können die Haftung für sich und ihre Hilfspersonen auch deshalb nicht auf grobe Fahrlässigkeit einschränken, weil sie ein "obrigkeitlich konzessioniertes Gewerbe" betreiben (Art. 101 Abs.3 OR).

Für nicht konzessionierte gewerbliche Dienstleistungsverhältnisse lässt indes die herrschende Lehre die Möglichkeit der Haftungsbeschränkung auf grobes Verschulden zu. Von dieser Möglichkeit könnten BSW und ASW — vorbehalten bleibt die gegenlautende Interessenlage des SWA — Gebrauch machen. Eine qualifizierte (garantierte) Zusicherung von Eigenschaften kann indes nicht durch die Hintertür über eine Freizeichnungsklausel wegbedungen werden.

Schranke 3: Produktehaftpflicht
Das Produktehaftpflichtgesetz (Art. 8 PrHG) schränkt die Freizeichnung ein. Es sieht die verschuldensunabhängige Kausalhaftung des Herstellers und Importeurs vor. Der Konsument soll auf diese Weise vor den immer undurchsichtigeren Gefahren der industriell erzeugten Waren geschützt werden. Diese Schranke ist von denjenigen Agenturen zu beachten, welche Werbeartikel direkt aus dem Ausland importieren (z.B. Feuerzeuge, Tischbomben, Produkte mit gesundheitsschädigenden Ingredienzen etc.). Sollte es in der Folge zu einer Schädigung an Menschen oder Sachen kommen, kann sich die Agentur als Importeurin den Geschädigten gegenüber nicht auf Freizeichnungsklauseln berufen.

Schranke 4: Hilfspersonen
Nach Gesetz (Art. 101 Abs. 2 OR) könnte eine Agentur die Haftung für Dritte, welche sie zur Ausführung des Auftrags beizieht, beschränken oder aufheben. Diese Freizeichnung kann weitergehen als die Freizeichnung für eigenes Verschulden. Es kann damit auch die Haftung für grobes Verschulden der Hilfspersonen wegbedungen werden. Dies allerdings dann nicht, wenn das Subunternehmerverhältnis auf einer engen Beziehung von Firmen besteht, welche im eigenen Interesse (und nicht vorwiegend im Interesse von Kunden) kooperieren (vergl. dazu BGE 112 II 347, Schätzung eines Kunstgegenstandes).Solche Freizeichnungsklauseln müssen unmissverständlich und klar sein.

Allgemeine Auslegungsregeln
Soweit die Haftungsbeschränkung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen aufgenommen werden, sind sie im Zweifel eng auszulegen, "namentlich dann, wenn sie die Stellung des Kunden verschlechtern" (BGE 115 II 479, 118 II 145). Wenn eine Agentur Gewährleistungsansprüche gegenüber Zulieferanten an den Werbeauftraggeber abtritt, ist dies nicht automatisch eine Wegbedingung der eigenen Gewährleistungspflicht (BGE 118 II 142).

 

Die häufigsten Haftungsbeschränkungen
- Die Agentur haftet nur für bestimmte Mängel (bei Verwendung untauglichen Materials, nur für Minderwert, welcher Fr. 5'000.-- übersteigt, keine Haftung für Farb- oder Massabweichungen etc.)

- Die Agentur haftet nur bei Verschulden

- Für Sachmängel haftet die Agentur nur bei grobem Verschulden

- Die Haftung für Subunternehmer wird ausgeschlossen

- Die Agentur haftet für Subunternehmer nur soweit, als sie auf die Materiallieferanten zurückgreifen kann

- Das Wandelungs- oder Minderungsrecht ist ausgeschlossen. Der Werbeauftraggeber hat nur ein Nachbesserungsrecht (und muss dabei allenfalls nicht alle Kosten selbst tragen).

- Für Mängelfolgeschäden haftet die Agentur nicht (oder nur bis zum Auftragswert oder bis zum Zehnfachen des Werklohns)

 

Haftung für widerrechtliche Werbemethoden
Nicht nur der Inhalt der Werbung, auch die Werbemethode selbst kann rechtlich problematisch sein. Wo beispielsweise Wurfsendungen und Handzettel gegen das ausdrückliche Verbot eines Adressaten (durch Kleber oder andere Willensäusserung) zugestellt wird, liegt eine Persönlichkeits- und Eigentumsstörung vor. Das Unternehmen kann sich nicht hinter der ausführenden Direct-Marketing-Agentur verstecken. Beide — das auftraggebende Unternehmen (als "mittelbare Störerin") und das Werbeunternehmen (als "unmittelbare Störerin"— können ins Recht gefasst werden.

Die Auftraggeberin "ist gehalten, alle ihr zu Gebote stehenden rechtlichen und wirtschaftlichen Möglichkeiten auszuschöpfen, um (...) Rechtsbeeinträchtigungen auszuschliessen (....) Dabei trifft sie die Darlegungs- und Beweislast für die Schritte, die sie in dieser Richtung unternommen hat" (in diesem Sinne hat der deutsche Bundesgerichtshof entschieden, vergl. dazu GRUR 1989, Heft 3, S.225). Diese Grundsätze finden auch nach schweizerischem Recht Anwendung.

Die Direkt-Marketing-Unternehmung haftet der werbetreibenden Firma gegenüber für die Einhaltung der Rechtsvorschriften. Sie könnte vertraglich nicht "jede Haftung" wegbedingen, weil die Haftung für "rechtswidrige Absicht" oder "Grobfahrlässigkeit" nicht zum Voraus wegbedungen werden kann.

 

von Dr. iur. Bruno Glaus


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