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Corporate Publishing ist nicht gleich Werbung

Der Deutsche Bundesgerichtshof schlug für Corporate Publishing eine Bresche: Kundenzeitschriften und Broschüren können durchaus redaktionellen Charakter haben. Sie profitieren dann vom Vorrang des Publikationsinteresses. Prominente haben das Nachsehen.

 

Bekannte Schauspieler, Stars aus Sport und Spiel, Politiker und Polterer grossformatig auf der Frontseite - damit lassen sich Leserschaften in Bann ziehen. Auch das Corporate Publishing baut auf Sympathieträger. Sie zieren Firmenbroschüren und Kundenzeitschriften. Und immer wieder stellt sich die Frage, ob für die Bilder Einverständnis und Entschädigung erforderlich sind oder ob sich die Corporate Publishing Agentur der Prominenz frei bedienen darf. In Deutschland hat der Bundesgerichtshof 1995 zu dieser Frage ein aufschlussreiches und wegweisendes Urteil gefällt.

Ein Schauspieler klagte
Ausgangspunkt war die Klage eines Schauspielers, dessen Bildnis grossformatig auf der Frontseite der "Chris-Revue", einer Kundenzeitschrift der grössten Drogerie-Kette der BRD, in einer Auflage von 2.45 Millionen mehrmals jährlich erscheinend, verlegt von einem Werbeunternehmen im Auftrag des Inhabers der Drogeriemarktkette. Festzuhalten ist, dass die beanstandete Chris-Revue Beiträge zu den Themen "Wunderwerk Haut", "Mode und Make-up: Herbst-Winter-Trends", "Schönes Haar — gesunde Umwelt" etc. enthielt und dass — und dies war für die rechtliche Würdigung nicht unwesentlich — die Zeitschrift "auch Werbung für die Produkte und Leistungen anderer Anbieter" enthielt (wie der Bundesgerichtshof wörtlich feststellte). Über den Schauspieler und die Schauspielerin Uschi G. erschien in der gleichen Nummer ein Bericht des Inhalts, endlich würde das Paar in der Fernseh-Serie "Zwei Münchner in Hamburg" zum wirklichen Paar. Das Frontseiten-Bild des Schauspielers war ein Standfoto anlässlich der Dreharbeiten zur TV-Serie, im Auftrag einer Werbeagentur zum Zwecke der redaktionellen Nutzung ohne Entgelt aufgenommen.

Der Schauspieler hatte einer Verwendung des Bildes zu Werbezwecken nicht zugestimmt. Er klagte deshalb auf künftige Unterlassung und Schadenersatz, als er sich ungewollt auf der Frontseite sah und machte geltend, sein Recht am eigenen Bild sei zu kommerziellen Zwecken missbraucht worden, weil die "Chris-Revue" ein Werbeprospekt und keine Zeitung mit redaktionellem Inhalt sei.

Gerichtshof verneinte Werbecharakter
Der Bundesgerichtshof hielt folgendes fest: Die Einwilligung zur Bildpublikation für eigentliche Werbezwecke sei grundsätzlich auch bei Personen der Zeitgeschichte immer erforderlich. Nur für redaktionelle (ideelle) Zwecke habe das Publikationsinteresse Vorrang vor den Persönlichkeitsrechten. Ob ein Werbeprodukt oder ein redaktionelles Produkt vorliege, entscheide sich nicht an der Qualität des redaktionellen Inhalts, sondern ausschliesslich daran, ob das Bild "als Werbeträger für Produkte eingesetzt wird" (so der Bundesgerichtshof im Entscheid, publiziert in ZUM 8/9/1995, Auszüge davon im Kasten). Abgestellt wurde auf die Frage, ob ein "erkennbarer Bezug zu bestimmten Waren oder Dienstleistungen" bestehe.

Fragwürdige Unterscheidung
Für die Schweizer Corporate Publishing Unternehmen stellt sich die Frage, ob der Entscheid nach Schweizer Recht gleich ausgefallen wäre. Dazu ist folgendes festzuhalten:

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte und die EMRK, aber auch das Bundesgericht lassen grundsätzlich zu, dass kommerzielle Informationen strengeren Einschränkungen unterworfen werden als ideelle Informationen (vergl. dazu medialex 1/00/18). Jörg Paul Müller und Martin Looser plädieren im erwähnten medialex-Beitrag allerdings für die Gleichwertigkeit der Freiheitsrechte, d.h. "Berücksichtigung des sozialen Werts einer Information ungeachtet der begrifflichen Zuordnung" (in kommerzielle oder nicht kommerzielle Kommunikation). Denn: "Wir wissen im Grunde zu wenig über die gegenseitige Abhängigkeit von demokratischer Ordnung und der Freiheit wirtschaftlichen Wettbewerbs in einer Gesellschaft, um mit gutem Gewissen durchwegs das eine vor das andere setzen zu können. (-) In einer Verfassungsordnung, welche die pluralistische Meinungsbildung in der Demokratie und die Freiheit des wirtschaftlichen Marktes als gemeinsame und interdependente Anliegen verfolgt und grundrechtlich schützt, müssen in Sachverhalten, die demokratie- und marktpolitisch relevant sind, immer beide Gesichtspunkte berücksichtigt werden. Deshalb dürfe die Beurteilung von Kommunikationsinhalten nicht "von der Zufälligkeit einer juristisch-begrifflichen Zuordnung zur Meinungsfreiheit oder zur Wirtschaftsfreiheit abhängen.

Bundesgericht bevorzugt abonnierte Medien
Damit äussern sich die beiden Autoren jedenfalls im Ton deutlich differenzierter als das Bundesgericht im "Obersee Nachrichten"- Entscheid (BGE 120 Ib 144), wo das höchste Schweizer Gericht den Standpunkt vertrat, die Gratiszeitungen seien "in erster Linie auf die Bedürfnisse und Interessen der Inserenten ausgerichtet; ihre redaktionellen Anreicherungen dienen vorab dazu, im Interesse der Werbung die Leserbeachtung zu steigern". Da es dabei allerdings um die Frage ging, ob auch Gratiszeitungen in den Genuss der indirekten Förderung durch reduzierte Posttaxen kommen sollten (Frage wurde verneint), lassen sich die damaligen Überlegungen des Bundesgerichts nicht auf die vorliegende Thematik übertragen. Nicht zu übersehen ist, dass das Schweizer Gericht bei weitem nicht so medienfreundlich argumentiert wie der Deutsche Bundesgerichtshof.

Es bleibt beim Postulat
Es muss deshalb beim Postulat bleiben: Für Gratiszeitungen, Corporate Publishing und Kundenzeitschriften aller Art gelten in Sachen Persönlichkeitsrecht die gleichen Massstäbe (Freiräume und Schranken) wie für die übrigen Medien. Nur die eindeutig produktebezogene Bebilderung ist Werbung, das redaktionelle Umfeld geniesst — mag es noch so dürftig sein — den Vorrang des Publikationsinteresses. Denn: "Die Garantie der Pressefreiheit lässt es nicht zu, das Eingreifen dieses Grundrechts von der Qualität des jeweiligen Presseerzeugnisses oder redaktionellen Beitrags abhängig zu machen (so der Deutsche Bundesgerichtshof).

 

Bundesgerichtshof stärkt Corporate Publishing
Im Urteil vom 14. März 1995 führte der Bundesgerichtshof folgendes aus:

"Allerdings wird das Bild des Klägers als Blickfang für eine Zeitschrift eingesetzt, die in erster Linie der Produktwerbung dient. Die "Chris-Revue" folgt damit indes nur einer Praxis, die auch bei anderen Blättern zu beobachten ist. Dies erlaubt jedoch noch nicht den Schluss, dass die abgebildete Person als Werbeträger für die Produkte eingesetzt wird, für die im Innern des Blattes geworben wird. (-)

Die Grenze des Einsatzes eines solchen Bildes zur Werbung für einzelne Produkte ist jedoch erst dann überschritten, wenn der Leser durch die Abbildung dazu geführt wird, zwischen dem Abgebildeten und den im Heftinnern angebotenen Produkten oder Leistungen eine gedankliche Beziehung herzustellen, wenn in den Augen des Lesers die Vorstellung entsteht, dass der Abgebildete zu diesen Produkten steht, sie empfiehlt und als Anreiz für den Kauf dieser Waren sein Bild zur Verfügung stellt. (-) Demgegenüber bestehen im vorliegenden Fall zwischen dem Bild des Klägers auf der Titelseite und einzelnen Produkten, denen die Werbung auf der Titelseite und im Innern des Heftes gilt, keine erkennbaren Beziehungen.

(-) Dem unbefangenen Durchschnittsleser ist geläufig, dass eine bestimmte Gruppe von Publikumszeitschriften gleichfalls die Bilder beliebter oder bekannter Persönlichkeiten auf den Titelseiten ihrer Blätter abzudrucken pflegt, um hierdurch die Aufmerksamkeit der Leser auf ihre Blätter zu lenken. (-) Daran ändert auch nicht die Besonderheit, dass die "Chris-Revue" von ihrer Aufmachung her dazu bestimmt ist, in erster Linie Werbeträger für die Produkte nur eines Unternehmens zu sein.

(-) Dem Durchschnittsleser ist bekannt, dass auch Werbezeitschriften dann, wenn sie das Bild einer beliebten prominenten Persönlichkeit auf dem Titelblatt veröffentlichen, ohne einen erkennbaren Bezug zu bestimmten Waren oder Dienstleistungen zum Ausdruck zu bringen, lediglich den Zweck verfolgen, die Attraktivität ihres Blattes zu steigern".

 

von Dr. iur. Bruno Glaus


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