Das Vorkaufsrecht schützt bestimmte Personengruppen wie Miteigentümer, Pächter oder Familienmitglieder davor, dass der Eigentümer des Grundstücks dieses an Dritte verkauft. Es gibt ihnen die Möglichkeit, ein Grundstück zu den gleichen Bedingungen zu erwerben, die ein potentieller Käufer angeboten hat. Insbesondere im Landwirtschaftsrecht kommt ein gesetzliches Vorkaufsrecht zum Tragen, um die Existenzgrundlage von Pächtern zu sichern.
Damit ein Vorkaufsrecht ausgeübt werden kann, muss ein sogenannter Vorkaufsfall vorliegen – in der Regel ein Verkauf des Grundstücks. Kein Vorkaufsfall liegt hingegen vor bei Schenkungen, gemischten Schenkungen oder Erbteilungen. Doch wie verhält es sich, wenn ein Grundstück zwar verkauft wird, der Verkauf jedoch aufgrund persönlicher Beziehungen zwischen Käufer und Verkäufer zustande kommt? Mit dieser Frage musste sich das Bundesgericht in einem kürzlich ergangenen Urteil beschäftigen.
Das Bundesgericht stellte klar, dass persönliche Beziehungen zwischen Käufer und Verkäufer allein nicht ausreichen, um einen Vorkaufsfall auszuschliessen. Solche Beziehungen müssten sich konkret im Rechtsgeschäft manifestieren, beispielsweise durch eine aussergewöhnliche Gegenleistung wie einen Freundschaftspreis. Im vorliegenden Fall befand sich der Kaufpreis jedoch im marktüblichen Bereich, und es gab keine Hinweise darauf, dass die persönliche Beziehung die Vertragsgestaltung beeinflusst hatte. Damit lag ein klassischer Verkaufsfall vor, der das Vorkaufsrecht auslöste.
Das Urteil zeigt, dass persönliche Beziehungen zwischen den Vertragsparteien nur dann den Vorkaufsfall ausschliessen können, wenn sie die Vertragsgestaltung nachweislich geprägt haben. Ein marktüblicher Kauf unter Freunden bleibt ein klassischer Verkaufsfall, der das Vorkaufsrecht auslöst. Wer also persönliche Beziehungen geltend machen will, um das Vorkaufsrecht zu umgehen, trägt die Beweislast für deren Einfluss auf die Vertragsbedingungen.
BGer 5A_927/2023, Urteil vom 19. August 2024