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Unternehmensnachfolge: Das Risiko der Einkommenssteuer

Stellen Sie sich folgende Situation vor: Unternehmerin X. hat ihr Lebenswerk aufgebaut und erfolgreich geleitet, doch in ihrer Familie findet sich niemand, der die Firma übernehmen könnte. Sie beschliesst daher, die Nachfolge mit ihrem langjährigen Top-Kadermitarbeitenden Y. zu regeln, der sich über die Jahre bewährt hat. Noch zu Lebzeiten verkauft sie ihm einen Teil der insgesamt 100 Aktien. Überdies vermacht sie Y. in einem Erbvertrag die restlichen 50 Aktien. Nach dem Tod von X. sorgt Y. als Alleinaktionär und Unternehmer besonnen und weitsichtig für den Erfolg der Firma. Alles richtig gemacht - könnte man meinen, oder?

Wenn da nicht die Steuern wären. Ist dies ein Vermächtnis, das nur den Erbschaftssteuern unterliegt? Oder ist die Zuwendung von Aktien gar steuerbares Einkommen? Im konkreten Fall über 8 Millionen Franken.

Für die Beurteilung entscheidend ist, ob die Unternehmerin X. die Aktien nur aufgrund der bisherigen und künftigen Arbeitsleistung von Y. vermacht. Falls ja, ist das Vermächtnis von 50 Aktien als Entschädigung der Arbeitsleistung von Y. zu sehen - quasi ein Bonus. Ein solcher Bonus gilt als steuerbares Einkommen und unterliegt entsprechend der Einkommenssteuer und den AHV-Abgaben. Geht es in der Nachfolgeregelung jedoch primär darum, den Fortbestand  des Unternehmens sowie die Arbeitsplätze zu sichern, dann unterliegt das Vermächtnis nicht der Einkommens- sondern der Erbschaftssteuer.

Das klingt nach Haarspalterei. Umso wichtiger ist eine saubere Abgrenzung im Zuge einer Mitarbeiter-Nachfolgeregelung. Der Vertrag sollte so gestaltet sein, dass hinreichend klar ist, dass der Vertrag auch dann abgeschlossen worden wäre, wenn Y. nicht Arbeitnehmerstatus hätte. Mögliche Anhaltspunkte für die Abgrenzung sind: Nur ein (oder wenige) Mitarbeitende der obersten Führungsebene erhalten Aktien; den Mitarbeitenden werden Mehrheit- oder Alleinbeteiligungen übertragen; mit dem Aktienübertrag wird keine vergangene Arbeitsleistung oder besondere Loyalität abgegolten; die Mitarbeitenden wurden bisher marktkonform entlöhnt (keine Kompensation durch einen Vorzugspreis).

Anmerkung: Im Kanton St. Gallen beträgt der Schenkungs- und Erbschaftssteuersatz bei Nachkommen 0%; bei Eltern und Konkubinatspartnern 10%; bei Geschwistern, Schwiegereltern, Schwiegersöhnen und -töchtern und Grosseltern 20%; und bei allen anderen 30%. Der steuerfreie Betrag bei den Verwandten ist CHF 25'000 und bei allen anderen
CHF 10'000.

 

Von Rechtsanwältin MLaw et lic. oec. Nathalie Glaus, publiziert in der Linth Zeitung, im Sarganserländer und im Werdenberger&Obertoggenburger