Die Scheidungsrate in der Schweiz beträgt rund 40% und die durchschnittliche Ehedauer liegt bei 15 Jahren. Das Scheidungsrisiko ist also nicht von der Hand zu weisen. Doch wie steht es um die finanzielle Situation nach einer Ehescheidung?
Das Bundesgericht hat im Mai 2024 eine wegweisende Entscheidung zum nachehelichen Unterhalt getroffen. Im Zentrum stand die Frage, wie lange ein geschiedener Ehegatte Anspruch auf Unterhaltszahlungen hat. Das Urteil verdeutlicht: Die Gerichte setzen zunehmend auf eine zeitliche Begrenzung des Ehegattenunterhalts.
In der Vergangenheit war es üblich, insbesondere bei längeren Ehen und traditionellen Rollenverteillungen, unbefristete Unterhaltszahlungen zuzusprechen. Dies galt vor allem dann, wenn ein Partner, meist die Frau, aufgrund der Kinderbetreuung nicht erwerbstätig war.
Doch in den letzten Jahren hat sich die Rechtsprechung zunehmend zugunsten einer klaren zeitlichen Begrenzung des nachehelichen Unterhalts weiterentwickelt. Diesem Wandel liegt die Annahme zugrunde, dass es Ehegatten grundsätzlich zuzumuten ist, nach einer Übergangszeit wieder selbst für ihren Lebensunterhalt aufzukommen. Das sogenannte „Primat der Eigenverantwortung“ tritt dabei stärker in den Vordergrund.
Im aktuellen Fall des Bundesgerichts ging es um Unterhaltszahlungen für die Ehefrau, die sieben Jahre verheiratet war und ein gemeinsames Kind betreut hatte. Die Ehefrau forderte Unterhalt bis zu ihrem Renteneintritt, während der Ehemann eine zeitliche Begrenzung verlangte. Das Bundesgericht hält fest, dass die Ehefrau nach einer Übergangszeit, in der sie sich beruflich wieder eingliedern kann, eine Eigenverantwortung für ihren Lebensunterhalt trägt. Die Unterhaltszahlungen werden daher zeitlich befristet.
Besonders wichtig ist in der aktuellen Rechtsprechung das Schulstufenmodell. Dieses Modell sieht vor, dass der Umfang der Erwerbstätigkeit eines Elternteils mit zunehmendem Alter des Kindes steigt. Ab dem 16. Lebensjahr des Kindes wird die vollständige Eigenversorgung erwartet.
Das Urteil zeigt deutlich, dass die Gerichte zunehmend die Eigenverantwortung der geschiedenen Ehegatten betonen und eine lebenslange finanzielle Abhängigkeit nach der Ehe immer seltener anerkannt wird. Für unterhaltszahlende Ehegatten bedeutet das eine finanzielle Erleichterung. Gleichzeitig verdienen Mütter statistisch gesehen 60% weniger als Väter und holen diesen Rückstand auch später im Erwerbsleben oft nicht wieder auf. Ehegatten, die aufgrund der Kindererziehung kürzertreten – meistens immer noch die Ehefrauen – sollten sich dieses Risikos bewusst sein.
Von Rechtsanwältin Andrea Fromherz, publiziert in der Linth Zeitung, im Sarganserländer und im Werdenberger&Obertoggenburger