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Streit um Porträt: Sieg für Fotografin

Fotoagenturen und FotografInnen können sich auf die sogenannte "Lizenzanalogie" berufen, wenn ihre Arbeiten unrechtmässig verwendet werden. Dies zeigt Fall 2* der Serie von Gerichtsurteilen, welche "persönlich" an dieser Stelle monatlich vorstellt.

Die Berufsfotografin M. hatte im September 1991 im Auftrag eines Politikers ein Porträt des Politikers hergestellt. Dieses war für ein einmalig erscheinendes Heft bestimmt. Zusätzlich kaufte der Politiker von der Fotografin zum Preis von insgesamt Fr. 60.- fünf Diapositiv-Duplikate, die alle einen Kleber mit der Aufschrift "Copyright M.B." trugen.

Im Frühjahr 1994 kandidierte der gleiche Politiker als Vertreter des Landesrings der Unabhängigen (nachfolgend LdU) für ein politisches Amt in der Stadt Zürich. In einer Tageszeitung erschienen drei Wahlinserate mit Schwarz-Weiss-Repro-duktionen eines Farbdiapositivs, welches der Beklagte von der Klägerin gekauft und an den LdU weitergegeben hatte, ohne noch einmal bei der Fotografin die Erlaubnis zur Veröffentlichung einzuholen. Das aber hätte er (und der LdU!) — so überraschend es für Laien klingt — tun sollen, wie der nachfolgende Prozess beweist. Denn auch das Bundesgericht verknurrte den Politiker zu Schadenersatz.

Schadenersatzpflicht für Politker
Die Fotografin (nachfolgend Klägerin genannt) klagte gegen den Politiker (nachfolgend Beklagter genannt) und forderte vom Beklagten für die drei Inserate eine Nutzungsgebühr von Fr. 3850.- nebst 5% Zins seit dem 30. April 1994. Mit Urteil vom 13. November 1995 hiess das Obergericht des Kantons Zürich die Klage im Teilbetrag von Fr. 3420.- nebst Zins gut. Es entschied, die von der Klägerin erstellten Fotografien seien urheberrechtlich geschützte Werke und mit deren eigenmächtigen Weitergabe an den LdU habe der Beklagte an einer Urheberrechtsverletzung mitgewirkt, was ihn schadenersatzpflichtig mache. Den zu ersetzenden Schaden bemass es nach der sogenannten Lizenzanalogie aufgrund der Preisempfehlungen für Bildhonorare 94 der Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft der Bildagenturen und - Archive (nachfolgend SAB) mit Fr. 950.- pro Inserat oder gesamthaft mit Fr. 2850.- erhöht um einen Verletzerzuschlag von 20% d.h. Fr. 570.-.

Preisempfehlungen der SAB
Das Obergericht legte die Preisempfehlungen der SAB dahingehend aus, dass die Vergütung von der Grösse des gesamten Inserats und nicht bloss vom Ausmass der Fotografie abhänge und sich bis zu einer Viertelseite in gleicher Höhe bemesse.

Das Bundesgericht bestätigte das Urteil in wesentlichen Punkten mit folgender Begründung:
"Nach den Feststellungen der Vorinstanz übergab der Beklagte eines der urheberrechtlich geschützten Diapositive dem LdU im Bewusstsein, dass es für die Werbung im Wahlkampf verwendet werde. Dass er den Empfänger (die Partei, Anm. d. Red.) darauf hingewiesen hätte, das Bild sei von der Urheberin für eine Verwendung noch nicht freigegeben worden, ist nicht festgestellt. Die Unterlassung aber gereicht dem Beklagten unbesehen des "Copyright-Klebers" der Klägerin zum Verschuldensvorwurf, da das Bild ausdrücklich zum Zweck der publizistischen Verwendung begeben wurde und es ohne Mitwirkung des Beklagten vom LdU nicht dazu verwendet werden konnte. Zu Recht ist das Obergericht jedenfalls von einer Mittäterschaft des Beklagten im Sinn von Art. 62 Abs. 2 URG i. V. m. Art. 50 OR ausgegangen". (Anmerkung: Art. 50 Abs.1 OR lautet: "Haben mehrere den Schaden gemeinsam verschuldet, sei es als Anstifter, Urheber oder Gehilfen, so haften sie dem Geschädigten solidarisch").

Kein "Verletzerzuschlag"
Das Bundesgericht gab dem Politiker nur in einem Nebenpunkt recht: "Begründet ist die Berufung dagegen insoweit, als der Beklagte sich gegen Verletzerzuschlag von Fr. 570.- wendet. (-) Ziffer 7 der "Grundsätze für die Lieferung und Verwendung von Bildmaterial" der Preisempfehlung 94 der SAB bestimmt: ‚Eine Weitergabe der Bilder an Dritte ohne vorherige schriftliche Zustimmung des Bildanbieters ist nicht gestattet, auch nicht für Lizenzausgaben. Auch eine Duplizierung der Bilder ohne Einwilligung des Bildanbieters ist nicht gestattet. Bei unberechtigter Verwendung des Bildmaterials wird zusätzlich zum Honorar ein Schadenersatz von Fr. 1000.- geschuldet.‘

Dass die Parteien diese Allgemeinen Geschäftsbedingungen der SAB in ihre vertraglichen Rechtsbeziehungen integriert hätten, ist weder festgestellt noch dargetan. Damit scheidet ein darauf gestützter Verletzerzuschlag als vereinbarte Vertragsstrafe (Konventionalstrafe) aus.

Das Obergericht geht von der Überlegung aus, die Methode der Linzenzanalogie stelle rechtmässige und widerrechtlichen Benützungen eines geschützten Werks vergütungsmässig gleich und privilegiere damit den Rechtsverletzer. Vorab aus Überlegungen der Generalprävention rechtfertige sich daher, die für eine widerrechtliche Werkbenützung geschuldete Entschädigung höher als eine hypothetische Lizenzgebühr anzusetzen (-).

SUISA-Normen rechtskonform?
Die SUISA hat in ihrer Tarifordnung für die unbefugte Werknutzung eine Verdoppelung des Tarifansatzes normiert und damit auch in der Rechtsprechung Verständnis gefunden. (-)

Ob ein pauschalisierter Verletzerzuschlag im Tarif der Verwertungsgesellschaften bundesrechtskonform ist, sich insbesondere — analog der deutschen Rechtsprechung — aus der besonderen Struktur dieser Gesellschaften und der Natur der von ihnen zu verwaltenden Rechte begründen lässt, ist im vorliegenden Verfahren nicht zu entscheiden. Für Verletzungen wie hier lässt sich indes ein pauschalisierter Verschuldenszuschlag, so wünschenswert er rechtspolitisch auch sein mag, de lege lata nicht halten. Wie auch die Vorinstanz festgehalten hat, würde dadurch ein pönales Element im Sinn von "punitive damages" in das geltende Recht eingeführt, welches den allgemeinen Prinzipien der Schadens- und Ersatzbemessung, auf welche Art. 62 Abs. 2 URG ausdrücklich verweist, widerspricht und gewöhnlich gar als Verstoss gegen den Ordre public erachtet wird.

Das bedeutet nicht, dass bei der Schadensschätzung nach der genannten Norm nicht auch Elemente berücksichtigt werden dürfen, die ausserhalb der eigentlichen Lizenzanalogie stehen; hierzu hat der Verletzte aber mindestens substanziert aufzuzeigen, dass die Verletzung geeignet war, weiteren Schaden zu bewirken, und dass der Eintritt solchen Schadens wahrscheinlich war. Solche Indizien sind im vorliegenden Fall weder festgestellt noch dargetan und es ist auch nicht ersichtlich, inwiefern eine Vergütung von Fr. 2850.- für die drei Inserate den Schaden und die immaterielle Beeinträchtigung der Klägerin nicht vollumfänglich zu decken vermöchte.

 

* Urteil Akten Nr. 4C.7/1996 publiziert in der Zeitschrift sic! 2/1997

 

Was ist Lizenzanalogie?
Der Lizenzanalogie liegt die folgende Überlegung zugrunde: Legal kann man fremdes Gut nur aufgrund eines Vertrages nutzen. Der Benützer hat dann in aller Regel für das Nutzungsrecht (=Lizenz) eine Vergütung zu bezahlen. Deshalb soll, wer fremdes Immaterialgut ohne Einwilligung des Urhebers nutzt, die gleiche Entschädigung zahlen müssen wie derjenige, welcher nicht einfach klaut, sondern höflich um Erlaubnis frägt und zahlt.

Der deutsche Bundesgerichtshof hat zum Urheberrechtsschutz folgende Überlegungen formuliert: "Der Rechtsinhaber kann keine Vorkehrungen gegen Verletzungen treffen, Verletzungen nur schwer feststellen und den ihm entgangenen Gewinn nur schwer nachweisen, da sich die hypothetischen Geschehensabläufe (ohne den Eingriff des Verletzers) nicht ohne weiteres rekonstruieren lassen. Ein einigermassen sicherer Anhaltspunkt für den zugefügten Schaden ergibt sich jedoch daraus, dass die Immaterialgüterrechte, die dem Rechtsinhaber eine bestimmte Verwertung ausschliesslich vorbehalten, üblicherweise auch im (sic!) Weg der Lizenzvergabe genutzt werden und sich aus dieser Sicht die vom Verletzer ersparte Lizenz als Gewinnentgang des Rechtsinhabers darstellt" (BGH GRUR 1977, 541).

Für die Fotografin bedeutet dies nach dem zitierten Bundesgerichtsentscheid folgendes: Sie muss nicht konkreten Schaden nachweisen, sondern sie kann sich darauf beschränken, vom Verwerter des Porträts (Politiker oder Partei) eine Vergütung zu verlangen, die der Verletzer ihr hätte zahlen müssen, wenn die Benutzung des Porträts (d.h. des künstlerischen Werks als Rechtsgut) ausgehandelt worden wäre und somit auf einem Lizenzvertrag beruht hätte.

Mit andern Worten: Wer beim Klauen von Immaterialgut ertappt wird, hat nach der Praxis des Bundesgerichts im zitierten Entscheid publiziert in der Zeitschrift sic! 2 / 1997 die "branchenübliche Vergütung für die Verwendung des urheberrechtlich geschützten Werks" zu bezahlen.

 

von Dr. iur. Bruno Glaus