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Schweigeklauseln wegen Ad hoc-Publizität

Börsenkotierte Unternehmen sind verpflichtet, kursrelevante sofort und allen Marktteilnehmern gleichzeitig bekanntzugeben. Das hat Folgen auch für Kommunkationsagenturen. Zu den Eckpunkten zählen zeitliche und inhaltliche Vorgaben, der Gleichbehandlungsgrundsatz und Vorschriften zum Verteiler und zu den Web-Angeboten. In den Rahmenverträgen müssen sich Agenturen entsprechend verpflichten.

Agenturen arbeiten teilweise für Kunden, welche börsenkotiert und als solche speziellen Publikationsvorschriften unterworfen sind. Die Grundsätze sind in Art. 72 des Kotierungsreglements (KR) und der SWX-Richtlinie betreffend die Ad hoc-Publizität festgehalten (Siehe www.swx.com und nebenstehenden Kasten).

Effektenhändler haben gestützt auf Art.11 Börsengesetz eine Informationspflicht („er weist die Kunden insbesondere auf die mit einer bestimmten Geschäftsart verbundenen Risiken hin“). Die Details zu den Informationspflichten sind in einem Reglement festgehalten. Zweck des Kotierungsreglements ist es, den Emittenten einen möglichst freien und gleichen Zugang zum Börsenhandel zu verschaffen und für die Anleger Transparenz hinsichtlich der Emittenten und Effekten (Valoren) sicherzustellen.

Periodische und Ad hoc-Pubilizitätsvorschriften
Es muss unterschieden werden zwischen den „Publizitätspflichten im Hinblick auf die Kotierung“ (Art. 32 ff.) und den Publizitätspflichten zur Aufrechterhaltung der Kotierung (Art.64ff). Zu den periodischen Berichterstattungspflichten zählt die Jahres-und Halbjahresberichterstattung. Dabei sind die Rechnungslegungsvorschriften und Sonderbestimmungen für Banken und Effektenhändler zu beachten (Art. 66 ff.). Neben den periodischen Informationspflichten sind die Vorschriften zur „Von Fall zu Fall – Information“ (Ad hoc-Publizität) zu beachten, eine Pflicht, alle potenziell kursrelevanten, nicht öffentlich bekannten Tatsachen bekanntzugeben, sobald der Emittent „von der Tatsache in ihren wesentlichen Punkten Kenntnis hat“. Kursrelevant sind alle Tatsachen, die geeignet sind, zu einer erheblichen Kursänderung zu führen.

Gleichbehandlungsgrundsatz
Alle Bekanntmachungen sind so vorzunehmen, dass die Gleichbehandlung der Marktteilnehmer gewährleistet ist. Auf Stufe „Richtlinie“ kann die zuständige Behörde Einzelheiten regeln. Ziel der Bestimmung von Art. 72 KR ist, dass alle gegenwärtigen und potenziellen Marktteilnehmer chancengleich mit Informationen versorgt werden, um die Transparenz und Gleichbehandlung der Anleger möglichst zu gewährleisten.

Kursrelevanten Tatsachen
Die sogenannte Ad hoc-Publizität ist ein auf den bedeutendsten Börsenplätzen angewandtes Mittel, um den Umgang mit potenziell kursrelevanten Informationen zu regeln. Zwischen kurs-sensitiven und nicht-sensitiven Informationen besteht allerdings keine klare Trennlinie, sondern ein Graubereich (Böckli/Bühler in SZW 2005 S. 106). Als typische kursrelevante Tatsachen werden genannt die bevorstehende Unternehmensverbindung, eine Aktienemission, Einführung Einheitsaktie, Gewinneinbruch, gravierende Verfehlungen von Organmitgliedern, überraschender Wechsel an der Spitze, Fusionen, Abspaltungen, Vermögensübertragungen, Restrukturierungen, Kaufangebote, neue Vertriebspartner, wichtige personelle Veränderungen usw. Es gibt keine abschliessende Liste von ad hoc-relevanten Tatbeständen. Die Emittenten müssen sich daher rechzeitig die Frage stellen, ob eine geplante oder auch eine überraschend eingetretene Veränderung zu einer deutlichen Kursbewegung an der Börse führen könnte.

Problematisch: Selektive Gespräche
Besonders problematisch sind selektive Gespräche mit Analysten oder Medien, z. B. im Umfeld der Bekanntgabe periodischer Informationen der Bekanntgabe von aussergewöhnlichen Transaktionen, wenn dieselben Informationen nicht auch umgehend der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. One-to-one-Gespräche oder geschlossene Veranstaltungen können schon bei latent heiklem Inhalt (z. B. leicht korrigierte Prognosen, die nur eine Konzernsparte betreffen) sehr rasch problematisch werden. Nicht auszuschliessen ist, dass Aussagen auf deutlich andere Art interpretiert werden als beabsichtigt.

Vorschriften für Medienmitteilungen
Medienmitteilungen sind nach Möglichkeit vor 07.30 Uhr oder nach 17.30 Uhr (d.h. 90 Minuten vor und nach Handelsbeginn und -schluss) zu publizieren. Pressekonferenzen während der Handelszeit sollten keine überraschenden neuen Tatsachen enthalten. Im Zweifelsfall sind die wesentlichen Eckdaten ausserhalb der Handelszeit und vor der geplanten Konferenz zu veröffentlichen. Die Informationen dürfen jedoch zielgruppenspezifisch aufbereitet sein, soweit die chancengleiche Versorgung mit kursrelevanten Informationen dadurch nicht gefährdet wird. Kurzfristige Einladungen für Presse- oder Analystenkonferenzen begünstigen Gerüchte und Spekulationen. Zeitgemässe Informationskonzepte berücksichtigen nebst den börsenrechtlichen Publizitätsvorschriften auch die Interessen der Investor Relations, Marketing- und Unternehmenskommunikation. Wichtige Bestandteile solcher Konzepte sind eine aktive Geheimhaltungspraxis, ein Krisenmanagement für heikle Situationen, ein klarer, intern und extern bekannter und konsequenter Umgang mit der Öffentlichkeit (Ansprechpersonen, Umgang mit Gerüchten, Quiet Periods, Unternehmenskalender, etc.) sowie das Commitment, sowohl gute als auch schlechte Nachrichten aktiv und rasch zu veröffentlichen.

Sperrfristen oft untauglich
Es ist darauf zu achten, dass keine potenziell kursrelevanten Mitteilungen vor der geplanten Veröffentlichung, auch nicht an wenige ausgewählte, nahestehende Kreise weitergegeben werden. Sperrfristen (auch bekannt unter «Embargo») haben sich bei Finanzinformationen als untaugliches Mittel erwiesen. Um Informationslecks zu vermeiden, ist eine Publikation möglichst nicht oder nur kurz aufzuschieben. Tritt ein Leck auf, das über ein blosses Gerücht hinausgeht, ist der Pflicht zur Ad hoc-Publizität sofort nachzukommen. Die Bekanntgabe der Tatsache hat unverzüglich zu erfolgen, auch wenn die Publikation zu einem späteren Termin geplant war. Falls während der Handelszeit orientiert werden soll, ist die SWX umgehend telefonisch zu informieren, damit das weitere Vorgehen besprochen werden kann. Unter besonderen Voraussetzungen ist ein Bekanntgabe-Aufschub möglich (Art. 72 Abs. 2 und 3, siehe Kasten).

Das Pflichtpensum
Ad hoc-Mitteilungen sind zumindest an folgende Adressaten zu verbreiten:
• SWX Swiss Exchange (neunzig Minuten im Voraus, falls während der Handelszeit publiziert)
• Mindestens zwei bei professionellen Marktteilnehmern verbreitete elektronische Informationssysteme (z.B. Bloomberg, Reuters, Telekurs)
• Mindestens zwei Schweizer Zeitungen von nationaler Bedeutung
• Jedem Interessierten auf Anfrage (Push- und Pullsystem: Der Emittent stellt auf seiner Website einen Dienst zur Verfügung, welcher es jedem Interessierten ermöglicht, über einen E-Mail-Verteiler kostenlos und zeitnah potenziell kursrelevante Tatsachen zugesandt zu erhalten (Push-System). Jede publizierte Ad hoc-Mitteilung ist zeitgleich mit der Verbreitung auch auf der Website des Emittenten aufzuschalten und muss dort während zwei Jahren abrufbar sein (Pull-System).
• Inhaltlich muss die Information wahr, klar und vollständig sein.

Folgen für Agenturen?
Börsenkotierte Unternehmen sind verpflichtet, die Vertraulichkeit der Informationen sicherzustellen, bzw. die reglementarisch geforderten Ad hoc-Informationen sicherzustellen. Sie können zur Erfüllung der Kommunikationsaufgabe Dritte (z.B. Kommunikationsagenturen) beiziehen, die Verantwortung liegt aber dennoch beim Unternehmen, insbesondere auch die Verantwortung für zeitgleiche Zustellung an alle Adressaten. Deshalb überbinden börsenkotierte Unternehmen den Agenturen die Pflicht, freie und festangestellte Mitarbeiter vertraglich auf Verschwiegenheit zu verpflichten. Die Agentur wird daran erinnert, dass das Unternehmen ein „Sanktionsverfahren der SWX“ riskiert. Mit Blick auf dieses Risiko müssen sich Kommunikationsagenturen nicht selten auch mittels Konventionalstrafen verpflichten, die Vorschriften der SWX zu beachten. Das Kotierungsreglement ist für alle Akteure verbindlich (AJP 8/2005 S. 981).

Zeitpunkt der Publikation
Medienmitteilungen sind nach Möglichkeit vor 07:30 Uhr bzw. nach 17:30 Uhr (d.h. entweder 90 Minuten vor Handelsbeginn oder nach Handelsschluss) zu publizieren. Damit wird den Informationsempfängern genügend Zeit eingeräumt, die Meldung entgegenzunehmen, zu lesen und zu interpretieren. Informationsvermittler benötigen eine gewisse Zeit, um die Meldung an die zuständigen Stellen weiterzuleiten. Der SWX ist die publizierte Information in allen Fällen sofort zuzustellen.
Ist in besonderen Fällen eine Publikation während der Handelszeit unumgänglich, so muss die SWX spätestens 90 Minuten vor der Veröffentlichung orientiert werden. Damit hat die SWX die Möglichkeit, in Ausnahmensituationen den Handel mit den betroffenen Effekten einzustellen.

(http://www.swx.com/admission/being_public/publicity/timing_de.html)

 

von Dr. iur. Bruno Glaus


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