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Schriftliches fördert die Kommunikation

Landläufig werden schriftliche Verträge verteufelt. Die Söhne der Viehhändler sind überzeugt: Vertrauen statt Verträge. Dem ist entgegenzuhalten: Schriftlichkeit fördert die Qualität.

Schönwettermodelle bewähren sich oft nur in der Hochkonjunktur - und auch dann nicht immer. Man hat präsentiert, offeriert, skizziert und fliegt auf halber Strecke aus dem Rennen. Dieses Szenario müsste nicht sein. Ein Blatt Papier hätte manches klären können, könnte Leerläufe verhindern, Konfliktpotentiale minimieren. Jahre-lang ging es gut, ohne dass wir fragten, ob wir es vielleicht noch besser hätten machen können (gut bleibt nur, wer besser werden möchte).

Auch im Zeitalter der ISO-Zertifizierungen verzichten jedoch viele Agenturen auf schriftliche Verträge. Verzicht nicht aus Vertrauen, meist aus purer Bequemlichkeit, manchmal gar aus Angst. Wir könnten das Vis-à-vis brüskieren, befürchten wir, im Privatleben wie im Geschäftlichen. Man kennt sich schon lange, man schätzt sich, Abmachungen erfolgen per Handschlag, oft am Telefon oder zwischen Tür und Angel. Das ist das Schönwettermodell. Bis es zum Konflikt kommt. Dann wird uns bewusst: Mit etwas Papier in der Hand hätte sich das Konfliktpotential vielleicht nicht verhindern, aber doch minimieren lassen. Denn: Schriftliches fördert die Kommunikation.

Schriftlichkeit zeugt von Qualitätsbewusstsein
Auch dort wo Schriftlichkeit gesetzlich nicht vorgeschrieben ist, zeugen schriftliche Vereinbarungen vom Mut zum offenen Ge-spräch, von Selbstbewusstsein und von der Überzeugung beider Parteien, dass klare Abmachungen letztlich auch ein Instrument der Qualitätssicherung sind. Schriftlichkeit ist ein Hinweis auf Ver-lässlichkeit. Ein schriftliches Wort ist mehr als Wort. Es ist Be-weismittel für die Kernpunkte der vertraglichen Vereinbarungen. Prävention statt Prozessieren.

Die Kernpunkte eines Geschäftsabschlusses
Zu den Kernpunkten jedes Geschäfts zählen die Erwartungen: die Eigenschaften des gekauften oder bestellten Gutes auf der einen Seite, die Zahlungsmodalitäten auf der andern. Darüber hinaus stellt man ein paar weitere Fragen, skizziert Erfahrungswerte und Risiken: Bekomme ich das, was ich erwarte zum vereinbarten Preis? Welches sind die Eckpfeiler der vertraglichen Zusammen-arbeit: die Termine, die Dauer der Zusammenarbeit, die Garantie-leistungen (Rechts- und Sachgewähr), die Nutzungsrechte, das Eigentum an Daten, Fragen der Vertragsauflösung und der Archi-vierung. Diese Stichworte und Eckpfeiler müssen die Parteien im-mer selbst erarbeiten.

Qualitätssicherung und Konfliktminimierung
Schriftlichkeit zwingt sie zur Kommunikation. Verträge sind Vehikel der Kommunikation. Das Überprüfen, die redaktionelle Feinarbeit und juristische Veredelung mag Sache der Juristen sein. Die Kommunikation ist Sache der Vertragsparteien. Der Beizug von Fachkompetenz ist zwar nicht für jedes Geschäft zwingend not-wendig. Angesichts der im Konfliktfall entstehenden Unkosten, ist dem Rechtsuchenden indes zu empfehlen: Wenn schon Bera-tungskosten, dann in der Anfangsphase, nicht erst beim Crash. So gesehen ist das Plädoyer für mehr Schriftlichkeit auch ein Plädoyer für Kostenbewusstsein dank Qualitätssicherung und Konfliktmi-nimierung.

Bestätigungsschreiben genügt. Viele Vertragsparteien haben auch deshalb Hemmungen vor schriftlichen Abmachungen, weil Schriftlichkeit vom Gesetz nicht vorgeschrieben ist. Man geniert sich, übersieht jedoch, dass es ein probates Mittel gibt, welches dem formalisierten schriftlichen Vertrag in Sachen Beweiswert sehr nahe kommt: Das Bestätigungsschreiben. Auch Bestäti-gungsschreiben per Fax oder per E-Mail sind Beweismittel (Art. 962 Abs. 4 OR). Fax und E-Mail genügen indes (vorläufig) noch nicht für den Abschluss jener Verträge, welche von Gesetzes wegen nur schriftlich abgeschlossen werden können, d.h. handschriftlich unterzeichnet werden müssen (z.B. Schenkungsversprechen, Abzahlungsgeschäfte, Temporärarbeitsverträge, Bürg-schaftserklärungen). Eine gesetzliche Regelung zur digitalen Un-terschrift steht allerdings bevor.

Wer ein Bestätigungsschreiben erhält, muss widersprechen, wenn das Schreiben nicht den Abmachungen entspricht. Andernfalls wird vermutet, dass das Bestätigungsschreiben richtig ist (Anm. Gauch, Schluep, Schmid, Rey, Schweizerisches Obligationenrecht, Band I, 7. Auflage, Rz. 1161 ff.). Ein über Wochen unwider-sprochen gebliebenes Bestätigungsschreiben entfaltet rechtsver-bindliche Wirkungen. Einzige Ausnahme: Krasse Abweichung vom tatsächlich Abgemachten (Anm. BGE 114 II 250 f., ebenso 123 III 41). Vom Bestätigungsschreiben ist die blosse Offerte zu unter-scheiden. Eine Offerte mit der Schlussbemerkung "ohne Ihren Ge-genbericht gehen wir davon aus, dass Sie mit dem Vorschlag ein-verstanden sind", kann nur selten als Bestätigungsschreiben gelten (Anm. Glaus 2000, S. 63).

Zwang zur Konzentration
Schriftlichkeit zwingt uns zur Konzentration, zur Auslegeordnung, zur Formulierung von Fragestellungen, zu Antworten auf Fragen. Schriftlichkeit klärt Erwartungshaltungen. Indes: Gesetzlich vorge-schrieben sind schriftliche Verträge nur in den wenigsten Fällen. Übliche Kaufgeschäfte (Grundstück-Käufe und Abzahlungsge-schäfte ausgenommen), Mietverträge, gewöhnliche Einzel-Arbeitsverträge, Werkverträge oder Aufträge können mündlich oder gar stillschweigend oder durch konkludentes Verhalten abge-schlossen werden. Und auch die Vertragsabwicklung und der Voll-zug des Geschäftes ist in der Regel formlos möglich. Das Beweis-risiko geht allerdings zu Lasten desjenigen, der aus einer be-haupteten Tatsache Rechte ableitet (Art. 8 ZGB). Selbst Mängel-rügen und Abmahnungen sind in vielen Fällen nicht zwingend schriftlich zu formulieren. Das Gesetz enthält wenig Zwang zur Formalität. Richtig verstandene Eigenverantwortung würde jedoch in vielen Fällen Schriftlichkeit nahelegen.

 

von Dr. iur. Bruno Glaus