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Scheiden tut weh — auch in der Agenturbranche.

Auch in der Kommunikationsbranche geraten sich ehemals Verbündete gelegentlich in die Haare. Eine(r) scheidet aus, der andere fühlt sich "geprellt", "ausgebeutet", "geschädigt". Man streitet sich, in welchem Umfang die neue Konkurrenz zulässig ist. "persönlich" gibt nachfolgend eine Übersicht.

Welcher Agentur kommt der folgende Vorgang nicht vertraut vor? Erst gerade noch hat man sich für eine Strategie entschieden, Leute gezielt auf die Strategie hin eingestellt, Hoffnungen aufgebaut, und nun kommt alles anders: Kooperation, Fusion, Umstrukturierung, neue Konstellationen. Enttäuschte Erwartungen, veränderte Ausgangslagen. MitarbeiterInnen kündigen und fangen "ihr eigenes Business" an.

Die vorprogrammierten Interessenkonflikte eskalieren dann in einem besonderen Mass, wenn es nicht bei einer einzelnen Kündigung bleibt, wenn im Sog der Turbulenzen dem Ausscheidenden gleich noch (weitere) MitarbeiterInnen und Kunden folgen. Freier Markt oder verpönte Abwerbung? Darüber streiten sich die entzweiten Parteien nicht selten vor Gericht — ehemalige Agenturpartner oder Mitarbeiter vs. Agentur.

Grund für fristlose Kündigung
Fest steht: Ein Mitarbeiter darf zwar bereits in einem laufenden Arbeitsverhältnis nach neuen Perspektiven Ausschau halten, er darf aber während des Arbeitsverhältnisses die bisherige Agentur nicht konkurrenzieren oder gar während der Arbeitszeit aktiv weitere Mitarbeiterinnen für die künftigen Projekte abwerben. Ein derartiger Verstoss gegen die arbeitsrechtliche Treuepflicht kann Grund zu einer fristlosen Kündigung sein (so bestätigend beispielsweise das Kantonsgericht Schwyz im Falle eines fristlos entlassenen Chefredaktors, welcher noch während des Arbeitsverhältnisses für ein Konkurrenzprodukt agierte und Mitarbeiter des bisherigen Arbeitgebers abwarb).

Unlauterer Wettbewerb
Das Abspenstigmachen von Mitarbeitern kann auch (strafbare) Tatbestände des unlauteren Wettbewerbs erfüllen. Art. 4 lit. a UWG verbietet die Verleitung zum Vertragsbruch, "um selber mit ihnen einen Vertrag abschliessen zu können". Unlauter ist dies allerdings nur dann, wenn gezielt und methodisch zu einem Vertragsbruch verleitet wird und die bisherige Agentur den Abgeworbenen keinen Anlass zur Neuorientierung gab. Solange die abgeworbenen Mitarbeiter ordentlich kündigen, liegt kein Vertragsbruch und damit auch kein unlauterer Wettbewerb vor.

Geheimnisverrat verboten
Unlauter und gleichzeitig in Verletzung arbeitsrechtlicher Pflichten handelt, wer als Mitarbeiter Geschäftsgeheimnisse während des Arbeitsverhältnisses verwertet oder mitteilt (Art. 321 a Abs. 4 OR). Unlauter ist es auch, Arbeitnehmer und Beauftragte zur Verletzung von Geschäftsgeheimnissen zu verleiten (Art. 4 lit. c UWG) und unlauter handelt schliesslich, wer ein Arbeitsergebnis eines Dritten (oder der früheren Arbeitgeberin) verwertet, "obwohl er wissen muss, dass es ihm unbefugterweise überlassen oder zugänglich gemacht worden ist" (Art. 5 lit. b UWG) oder Geschäftsgeheimnisse des früheren Arbeitgebers unrechtmässig ausbeutet (Art. 6 UWG). Dabei ist zu beachten, dass der Begriff "Geschäftsgeheimnis" sehr weit aufgefasst wird. Als Geschäftsgeheimnis gilt alles, was nicht öffentlich bekannt oder leicht zugänglich ist und die Arbeitgeberin ein legitimes Interesse am Nichtbekanntwerden der Tatsachen hat (BGE 103 IV 283).

Verbotene negative Äusserungen
Nicht selten gipfeln die neugeschaffenen Konkurrenzverhältnisse in mehr oder weniger deutlichen Diffamierungen der ehemaligen Partner. Nicht jede kritische Äusserung ist indes verboten. Unlauter handelt, wer andere "durch unrichtige, irreführende oder unnötig verletzende Äusserungen herabsetzt" (Art. 3 lit. a UWG). Verboten ist das "Anschwärzen" (BGE 122 IV 33, 124 III 72). Wo genau die Grenze zwischen zulässiger kritischer Äusserung und unzulässiger Anschwärzung liegt, konnten die Gerichte bisher allerdings nur einzelfall-bezogen festlegen. Es fehlt an allgemein verbindlichen Kriterien.

Schadenersatz
Dass bei der Beurteilung des Zulässigen immer auch das Verhalten des bisherigen Arbeitgebers eine Rolle spielt, macht ein jüngster Entscheid des Genfer Cour de justice vom 17. März 2000 (publiziert in der Zeitschrift sic! 8/2000, S. 714 ff.) deutlich. Weil die frühere Arbeitgeberin mit Umstrukturierungsmassnahmen Anlass für das Ausscheiden mehrerer kurz zuvor eingestellter Mitarbeiter gab, wurde lediglich die Verwertung von Arbeitsergebnissen (wie Offerten, Berechnungen und Umfragebogen) als unlauter bezeichnet, weil der abgesprungene Drahtzieher hätte wissen müssen, dass ihm solches Material von andern Mitarbeitern (welche später ebenfalls ausschieden) unbefugterweise überlassen wurde. Abgewiesen wurde auch eine Schadenersatzforderung, mit folgender Begründung: "Derjenige der einen Arbeitnehmer anstellt und ihn mit Verantwortungen betraut, die einen wesentlichen Bestandteil der Leistungsfähigkeit des Unternehmens darstellen, und ihn dann entlässt, ohne weder sein Personal noch seine Kunden auf diese Umstrukturierung vorzubereiten, trägt wesentlich dazu bei, den behaupteten Schaden zu schaffen und hat kein Anrecht auf Schadenersatz" (Zusammenfassung gemäss sic! 8/2000, S. 719).

Unlautere Konkurrenzierung

Nicht nur die Verleitung zum Vertragsbruch und zur Geschäftsgeheimnisverletzung (Art. 4 UWG), sondern auch die blosse Verwertung fremder Leistung oder fremder Geschäftsgeheimnisse kann widerrechtlich und bei vorsätzlichem Handeln strafbar sein:

Art. 5 UWG Verwertung fremder Leistung

Unlauter handelt insbesondere wer:

a. ein ihm anvertrautes Arbeitsergebnis wie Offerten, Berechnungen oder Pläne unbefugt verwertet;

b. ein Arbeitsergebnis eines Dritten wie Offerten, Berechnungen oder Pläne verwertet, obwohl er wissen muss, dass es ihm unbefugterweise überlassen oder zugänglich gemacht worden ist;

c. das marktreife Arbeitsergebnis eines andern ohne angemessenen eigenen Aufwand durch technische Reproduktionsverfahren als solches übernimmt und verwendet.

 

Art. 6 UWG
Verletzung von Fabrikations- und Geschäftsgeheimnissen

Unlauter handelt insbesondere, wer Fabrikations- oder Geschäftsgeheimnisse, die er ausgekundschaftet oder sonstwie unrechtmässig erfahren hat, verwertet oder andern mitteilt.

 

von Dr. iur. Bruno Glaus