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Der Spam-Fürst wurde entwaffnet

Verdikt der Lauterkeitskommission: Unverlangtes E-Mail kann Verstoss gegen Lauterkeitsgrundsatz sein. Erste kritische Stimmen werden laut: Vor zuviel Verbot wird gewarnt. Spam-Gegner duellieren sich auf Internet mit Befürwortern des sanften Spams.

Martin Fürst versendet regelmässig unverlangte Werbe-E-Mails an 160'000 Schweizer bzw. an 230'000 deutsche E-Mail-Adressen. Man nennt dies spamming. In unverlangten E-Mails preist Fürst laut http://spam.trash.net (Website des Spam-Gegners Roman Racine) eine breite Palette von Produkten an (Nachtsichtgeräte, Abhörsysteme, Anti-Virus Software, Luft-Ionisierer, GPS-Geräte etc.). Er tritt dabei meist unter Namen wie "Fürst E-Marketing" oder "Fürst GPS-Products" auf (rechtlich gesehen also eine Einzelfirma, die jede handlungsfähige Person in der Schweiz ohne weiteres eröffnen kann). Martin Fürst hat laut spam.trash.net eine Sammlung von 160'000 E-Mail-Adressen aus der Schweiz und 230'000 aus Deutschland. Die Datensammlung ist nach eigenen Angaben "Opt-out", d.h. wer reklamiert, wird gelöscht.

Verdikt der Lauterkeitskommission
Diese Praxis sei, so Racine weiter, „zwar stossend, mit dem Datenschutzgesetz aber vereinbar“. Nicht vereinbar aber ist diese Praxis mit den Lauterkeitsgrundsätzen der Schweizerischen Lauterkeitskommission. Am 21. November 2001 hatte die Zweite Kammer der Schweizerischen Lauterkeitskommission erstmals zum Spamming einen Grundsatzentscheid gefällt. Unter Spam versteht man unverlangt zugestellte E-Mails (Definition der Kommission der Europ. Gemeinschaften). Der Name "Spam" ist dem Dosenfleisch SPAM (Spiced Porc and Ham) entliehen. Man kann folgende Typen unterscheiden: Kommerzielle Spams (UCE = Unsoliticed Comercial E-Mail), Kettenbriefe/Viruswarnungen, und durch Viren versandte E-Mails. Die Lauterkeitskommission stützt ihr Verdikt gegen die UCE vor allem auf das Verbot aggressiver Verkaufsmethoden im Fernabsatz-Markt (Nr. 4.4 der Grundsätze zur Lauterkeit in der kommerziellen Kommunikation. Neben der fehlenden Geschäftsbeziehung nennt die Zweite Kammer der Lauterkeitskommission weitere Sachverhaltselemente, die gegen die Grundsätze zur Lauterkeit in der kommerziellen Kommunikation verstiessen: die fehlende Angabe der Identität des Versenders sowie die Verwendung einer nicht existierenden Firma.

Aggressive Verkaufsmethode
Zur E-Mail-Sendung des Spam-Fürsten schreibt die Lauterkeitskommission in ihrem Beschluss: „Das Werbe-E-Mail des Beschwerdegegners verstösst gegen Grundsatz 4.4 und stellt eine aggressive Verkaufsmethode dar, da die Zustellung unverlangt und ohne Nachweis einer Kundenbeziehung erfolgt ist“. Die Lauterkeitskommission urteilt damit härter als der Gesetzgeber, welcher in Art. 3 lit. h des Bundesgesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb eine Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit verlangt.

Kritische Stimmen regen sich
Das sei „bedauerlich“, schreibt Martin Spirig, Verfasser einer jüngst erschienenen Dissertation zum Thema „Lauterkeitsrechtliche Konflikte im Internet“ (siehe www.internetlaw.ch), im Newsletter von weblaw.ch vom 17. Dezember 2001. Spirig ist ein Verfechter der Opt-out-Philosophie: Wer keine unbestellten E-Mails will, muss sich zuerst wehren. Spirig fordert eine „Kosten-Nutzen-Analyse“ bevor ein Verbot erlassen werde. „Wer reguliert, bezweckt damit ein Ziel. Deshalb ist zunächst ein Ziel zu formulieren und erst dann, falls überhaupt notwendig, eine Regel zu erlassen“. Jeder Empfänger mache dabei „seine eigene Rechnung, weil er persönliche Präferenzen hat. In jedem Fall wird er aber solange Werbe-E-Mails empfangen wollen, als der Gewinn aus der letzten E-Mail in Form nützlicher Produkteinformation die Kosten aus dem Herunterladen, dem Risiko des Überlaufens der persönlichen Mailbox, dem Sortieraufwand und der allfälligen Verärgerung übersteigt, mit anderen Worten der persönliche Grenznutzen höher ist als die Grenzkosten. Spirig ist überzeugt, dass sich der Markt grösstenteils selbst reguliert, einerseits durch Selbstschutzmechanismen der Nutzer, anderseits durch die Wahl des Anbieters. Und: „Die Werber sehen sich ebenfalls den Marktkräften ausgesetzt. Vertretern von Branchen mit typischerweise hoher Seriosität steht es schlecht an, Werbe-E-Mails zu verschicken. Weil die Gefahr eines Umsatzrückgangs besteht, verzichten diese Anbieter auf das Versenden von Werbe-E-Mails“.

Wirtschaftsfreiheit vs. Persönliche Freiheit
Deshalb warnt Spirig: „Eine strikte Regel, wie zum Beispiel ein generelles Verbot, ist nicht dazu geeignet, allen Nutzern Werbe-E-Mails in jenem Ausmass zuzuführen, das zum persönlichen Optimum führt. Die optimale Regulierung muss dem Nutzer die Gestaltungsmöglichkeit geben, nach seinen Bedürfnissen Werbe-E-Mails anzunehmen oder teilweise oder ganz zu unterbinden“. Opt-out bedeutet danach: Wirtschaftsfreiheit mit Persönlichkeitsschutz-Vorbehalt, Opt-in Persönlichkeitsschutz mit Wirtschaftsfreiheitsvorbehalt.

Nach der von Spirig (in seiner Dissertation und im weblaw-newsletter) vertretenen Ansicht ist die rechtliche Regulierung von Werbe-E-Mails vor dem Hintergrund der Verhaltenssteuerungs-Möglichkeiten sowie dem derzeit geringen Ausmass von Werbe-E-Mails mit grosser Zurückhaltung und Vorsicht anzugehen: „Gesetzgebung ist nicht notwendig, ja sie wäre sogar gefährlich. Bei veränderten Verhältnissen im sich rasch und kaum voraussehbar ändernden Internet-Bereich könnte Gesetzgebung hinsichtlich Werbe-E-Mail zum Hindernis für technische und damit zusammenhängende wirtschaftliche wie auch weltanschauliche Entwicklungen werden. Das Lauterkeitsrecht enthält mit der Generalklausel ein flexibles Regulierungsinstrument“.

So sollten Werbe-E-Mails gehandhabt werden
Vom Opt-in-Anbieter soll verlangt werden, dass er die Werbe-E-Mails in der Betreffzeile als solche kennzeichnet. Weiter soll der Umfang der einzelnen Werbe-E-Mail-Botschaft nur gering sein, um die Infrastruktur des Empfängers sowie die Datenleitungen möglichst wenig zu belasten. Überdies ist der Versender zu verpflichten, dem Nutzer das Verbot der Zusendung weiterer Werbe-E-Mails mit geringem Aufwand zu ermöglichen, z.B. durch Anklicken eines einzigen Links. Diese Anforderung stützt und vereinfacht eine bereits weit verbreitete Verhaltensform auf Empfänger- und Versenderseite. Mit einer Pflicht zur Angabe der beworbenen Leistung in der Betreffzeile soll dem Nutzer die Durchsicht der Werbe-E-Mails erleichtert werden. Weiter soll der Versender nur Werbe-E-Mails für Leistungen verschicken, die sich mit dem mutmasslichen Interesse des Empfängers decken. Spirig: „Dieses Erfordernis des Sachzusammenhangs hat zwei Effekte. Erstens sinkt der Sortieraufwand beim Nutzer, weil für ihn uninteressante Werbung weniger häufig in seine Mailbox gelangt. Zweitens wird wegen der erforderlichen Beschaffung von Zusatzinformation über den Empfänger das Versenden von Werbe-E-Mails kostspieliger, was zu einem bewussteren Umgang mit dieser Werbeform führt“. Beim Sachzusammenhang darf die Messlatte allerdings nicht zu hoch angesetzt werden, weil sich sonst Werber an sich zulässige E-Mails nicht mehr zu versenden getrauen (sog. „chilling effect“), und die Adressen sehr teuer werden, wodurch Werbe-E-Mails die willkommene Eigenschaft eines preisgünstigen Werbe-Mediums verliert.

Kommentar Martin Spirig*
„Halten sich die Versender an die vorgeschlagenen Anforderungen, so können die Nutzer nach ihren persönlichen Präferenzen bestimmen, ob und welche Werbe-E-Mails sie erhalten möchten. Dieses wird zu einem erwünschten Instrument zur Senkung der Suchkosten im Markt. Nutzer, die überhaupt keine Werbe-E-Mails möchten, haben bei einer Bezeichnungspflicht die Möglichkeit zur automatischen Löschung und vermeiden damit jeglichen Kontakt. Ökonomisch betrachtet wird Werbe-E-Mail effizient verwendet, weil jeder Nutzer nur so viel Werbe-E-Mails empfängt, dass sein Gewinn daraus die Kosten übersteigt.

Der Beschluss der Lauterkeitskommission vom 21. November 2001 steht, soweit nachvollziehbar, nicht im Widerspruch zu den vorgeschlagenen Anforderungen, denn er ist nicht als Präjudiz für die generelle Unzulässigkeit von Werbe-E-Mails zu verstehen. Die fehlende Kundenbeziehung zwischen Empfänger und Versender deutet zunächst darauf hin, dass keine Einwilligung des Empfängers vorlag. Damit rückt der Sachverhalt überhaupt erst in den Bereich der vorliegenden Betrachtung. Leider macht der Beschluss der Lauterkeitskommission keine Ausführungen über den Sachzusammenhang zwischen dem Empfänger bzw. seiner Tätigkeit und der beworbenen Leistung. Bei vorliegendem Sachzusammenhang wäre die strittige Werbe-E-Mail zulässig gewesen“.

*Mit der Werbe-E-Mail-Problematik befasste sich der Verfasser bereits in seiner erst kürzlich erschienenen Dissertation mit dem Titel „Lauterkeitsrechtliche Konflikte im Internet - Ökonomische Analyse und Rechtsvergleichung“, Verlag Paul Haupt, Bern 2001, Zusammenfassung und weiterführende Links auf <www.internetlaw.ch>. Mit einem Beschluss der Schweizerischen Lauterkeitskommission zum Spamming hat die Dissertation von Martin Spirig „Lauterkeitsrechtliche Konflikte im Internet“ (Bd.63 der St. Galler Studien zum Privat-, Handels- und Wirtschaftsrecht) eine besondere Aktualität erlangt.

 

Briefvorlage von „spam.trash.net“

EINSCHREIBEN

Auskunftsbegehren gem. Art. 8 Datenschutzgesetz

Sehr geehrte Damen und Herren
Wie ich feststellen musste, haben Sie meine Mailadresse zum Versand von unverlangten Mails verwendet. Wie Sie wissen sollten oder bei sorgfältiger Prüfung hätten feststellen können, fallen Mailadressen und andere Kommunikationsparameter unter das Datenschutzgesetz. Es ist nicht ersichtlich, dass ich Ihnen mein Einverständnis zum Bearbeiten meiner persönlichen Daten gegeben hätte. "Bearbeiten" im Sinne des Datenschutzgesetzes (DSG) umfasst insbesondere das Beschaffen, Aufbewahren, Verwenden, Umarbeiten, Bekanntgeben, Archivieren oder Vernichten von Daten (Art. 3 lit. e DSG). Es spielt im übrigen keine Rolle, ob Sie die Datenbank erstellt haben oder eine andere Firma oder Person in der Schweiz oder im Ausland. Bereits die Verwendung der Daten stellt ein "Bearbeiten" im Sinne des Datenschutzgesetzes (DSG) dar. Bevor Sie mir entgegnen, dass ich falsch liege und alles, was Sie tun, erlaubt sei, empfehle ich Ihnen, entweder mit einem kompetenten Juristen Rücksprache zu nehmen oder eine Nachfrage beim Eidg. Datenschutzbeauftragten (www.edsb.ch) zu starten, der im übrigen einige Merkblätter und Richtlinien herausgegeben hat (z.B. http://www.ofj.admin.ch/themen/ri-ir/internet/rf-internet-d.pdf Anhang 1, http://www.edsb.ch/edsb_pdf/pdf/spam_d.pdf), die Sie besser hätten lesen sollen.

Ich verlange von Ihnen nunmehr Folgendes:
• Sie geben mir Auskunft, welche Daten Sie über mich bearbeiten, woher diese stammen, wie sie gesammelt wurden, wer sie bisher erhalten hat, ob und wem Sie Daten übermittelt haben, bei denen sich der Empfänger im Ausland befand, und welche Rechtsgrundlage Sie hinsichtlich der Datenbearbeitung beanspruchen (Art. 8 DSG).
• Sie löschen in Ihren Datenbanken unverzüglich sämtliche mich betreffenden Daten. Die weitere Bearbeitung aller mich betreffenden Daten sei Ihnen und allen Firmen, die Sie vertreten, hiermit gemäss Art. 12 DSG ausdrücklich untersagt, sofern und soweit dies nicht schon zuvor geschehen ist.
• Sie werden in Zukunft ohne genügenden Rechtfertigungsgrund keine Daten bearbeiten, die mich betreffen. Ferner ist davon auszugehen, dass ihre Datensammlung nicht gemäss Art. 11 DSG beim Eidg. Datenschutzbeauftragten angemeldet ist. In Verbindung mit der Tatsache, dass die Mail von (Datum) über einen Mailserver versendet wurde, der in einem Gebiet steht, in dem eine dem schweizerischen Datenschutzgesetz gleichwertige Gesetzgebung fehlt, geht eine Kopie dieses Schreibens an den Eidg. Datenschutzbeauftragten (Art. 6 und 11 DSG). Zum Zeichen Ihres Einverständnisses senden Sie mir diesen Brief unterzeichnet bitte zurück. Ihre Stellungnahme, Bestätigung und Auskunft erwarte ich bis am (Datum) bei mir eintreffend. Sollten Sie meiner Aufforderung nicht nachkommen, werden Sie damit rechnen müssen, dass ich meine Ansprüche auf dem Rechtsweg durchsetzen werde.

 

von Dr. iur. Bruno Glaus


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