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Der Fall Pfizer: Migränebroschüre gestoppt

Wer für Arzneimittel, Alkohol, Tabak oder Lebensmittel wirbt, bewegt sich in einem erhöhten Gefahrenbereich. Das musste kürzlich auch der Pharma-Riese Pfizer erfahren: Das Bundesgericht stoppte eine „Migräne-Broschüre“ und verpflichtete Pfizer, die Werbesendung in rund 1 Million Schweizer Haushaltungen zu korrigieren. Der Grundsatz-Entscheid führt zu einer verschärften Praxis im Bereich Krankheits-Information, welche auch in Sprechstunden von Radio- und Fernsehen beachtet werden müsste.

Das Heilmittelgesetz erlaubt in Artikel 31 grundsätzlich sogenannte Fachwerbung, d.h. Werbung, die sich ausschliesslich an Personen richtet, die diese Arzneimittel verschreiben oder abgeben. Die Publikumswerbung ist wie folgt geregelt: Sie ist zulässig für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel und verboten für Arzneimittel, die nur auf ärztliche Verschreibung abgegeben werden dürfen. Als „Arzneimittelwerbung“ gelten alle Massnahmen zur Information, Marktbearbeitung und Schaffung von Anreizen, welche zum Ziel haben, die Verschreibung, die Abgabe, den Verkauf, den Verbrauch oder die Anwendung von Arzneimitteln zu fördern (Art. 2 Arzneimittelwerbeverordnung). Nicht als Werbung gelten Informationen allgemeiner Art über die Gesundheit oder über Krankheiten, sofern sich diese weder direkt noch indirekt auf bestimmte Arzneimittel beziehen (Art. 1 Abs. 2 AWV).

Der Fall Pfizer
Die Pfizer AG verbreitete eine Broschüre zum Thema Migräne an 940’000 Haushaltungen. Die Broschüre enthielt eine Beschreibung des Krankheitsbildes, aber auch Vorschläge zur Therapie, vor allem zur Therapie mit Triptanen, einer Wirkstoffgruppe. Es handelt sich dabei nicht um den Markennamen eines Arzneimittels oder eine Arzneimittelgruppe. In der Broschüre wurden überhaupt keine Arzneimittel mit Namen genannt. Dennoch wurde die Broschüre verboten – letztinstanzlich vom Bundesgericht. Im Urteil des Bundesgerichts (Urteil 2A.63/2006 vom 10. August 2006) sind Zitate aus der Broschüre nachzulesen: «Triptane wirken gut und schnell bei Migräne», Triptane linderten nicht nur Schmerzen, sondern im Gegensatz zu herkömmlichen Schmerzmitteln auch Begleitsymptome, Triptane seien eine «moderne Medikamentengruppe gegen Migräne», «spezifische Migräne-Attacken-Medikamente» und hätten «im Vergleich mit anderen Substanzen eine grössere Wirksamkeit».

Schon Swissmedic hatte diese Art von Kommunikation als indirekte Werbung für ein Arzneimittel der Pfizer AG qualifiziert. Als Kontrollbehörde verbot sie die weitere Verwendung der Broschüre und verlangte von Pfizer, die Adressaten zu informieren, dass die verbreitete Information nicht dem aktuellen Stand der Wissenschaft entspreche. Die REKO HM bestätigte die Sichtweise der Swissmedic vollumfänglich. Pfizer zog das Urteil ans Bundesgericht weiter, drang aber auch hier nicht durch.

Heikle Grenzziehung
Information über Krankheiten ist zulässig, Werbung für rezeptpflichtige Arzneimittel hingegen nicht. Die Grenze zwischen Werbung und Information ist nicht immer exakt zu ziehen. Werbung für einen Wirkstoff kann indirekte Werbung für alle Arzneimittel ist, welche diesen Wirkstoff enthalten. Auch indirekte Werbung fällt nach den erwähnten Urteilen unter die Regelungen der AWV. Die Absicht der Absatzförderung besteht nach Auffassung der Rekurskommission immer dann, wenn die Broschüre Teil einer umfassenden Kampagne ist und mit weiteren Kommunikationsmassnahmen (Publikumsveranstaltungen, Plakaten etc.) gekoppelt wird. Das Bundesgericht ging noch weiter: Es spiele keine Rolle, ob eine Absicht, zu werben, überhaupt bestanden habe; es komme allein auf die Eignung als Werbung an. Aus gesundheitspolizeilicher Sicht könne es nicht darauf ankommen, ob nur für ein einzelnes Präparat oder eine ganze Gruppe geworben werde. Die Risiken des unzweckmässigen und übermässigen Arzneimittelkonsums seien in beiden Fällen gegeben. Weil die Pfizer als Verfasserin der Sendung erscheine, könne jeder durchschnittlich gebildete Leser daraus schliessen, dass Pfizer auch Anbieter von einschlägigen Medikamenten sei. Als gewinn-orientiertes Unternehmen habe Pfizer wohl kaum aus altruistischen Gründen fast eine Million Haushaltungen bedient. Dass Triptane tatsächlich überlegen seien, sei im übrigen bis jetzt mit keiner Studie belegt worden.

Grundsatzentscheid
Mit diesem Bundesgerichtsurteil liegt zum ersten Mal eine höchstrichterliche Entscheidung zur Abgrenzung von Arzneimittel-Werbung und werbeneutraler Information vor. Das Urteil wird zu einer Praxisverschärfung führen, weil bereits die Eignung zu Absatzförderung als Werbung qualifiziert werden kann. Auf die Absicht kommt es nicht an. Information über Krankheiten muss alle verfügbaren (anerkannten) Therapiemöglichkeiten – jedenfalls auch verfügbare alternative Wirkstoffe – enthalten. Es darf nicht eine einzelne Gruppe propagiert werden. Dies liegt auch im Interesse eines patient empowerment .

 

von Dr. iur. Bruno Glaus