Baustellen in der Nachbarschaft können für Mieter zu erheblichen Belastungen führen – sei es durch Lärm, Staub oder Erschütterungen. Diese Immissionen können die Gebrauchstauglichkeit einer Mietwohnung oder eines Geschäftslokals beeinträchtigen und stellen unter Umständen einen Mangel im Sinne des Mietrechts dar, der einen Anspruch auf Mietzinsherabsetzung begründet.
Nach Art. 259d OR haben Mieter Anspruch auf eine verhältnismässige Herabsetzung des Mietzinses, wenn die Tauglichkeit der Mietsache zum vertragsgemässen Gebrauch beeinträchtigt wird. Ein Verschulden des Vermieters ist nicht erforderlich – selbst wenn die Ursache der Beeinträchtigung ausserhalb seines Einflussbereichs liegt, wie bei einer Baustelle auf einem Nachbargrundstück, kann ein Anspruch bestehen. Im Übrigen ist es irrelevant, ob es sich um eine private Baustelle oder um eine Baustelle im öffentlichen Interesse – wie Bau einer Eisenbahnlinie – handelt.
Nach der Rechtsprechung gilt eine Beeinträchtigung als Mangel, wenn sie den Gebrauch der Mietsache spürbar einschränkt. Die Schwelle für eine Mietzinsherabsetzung liegt üblicherweise bei einer Beeinträchtigung von mindestens 5%. So wurde beispielsweise in einem Fall, bei dem Renovationen in der Nachbarschaft anhaltenden Baulärm und Staub verursachten, eine Mietzinsreduktion von 10% zugesprochen. In einem anderen Fall, bei dem ein Geschäftslokal durch unerträglichen Baulärm während 14 Monaten praktisch nicht nutzbar war, wurde eine Reduktion von 60% gewährt. Die Höhe der Mietzinsherabsetzung richtet sich stets nach der Intensität und Dauer der Beeinträchtigung und wird oft nach Billigkeitsregeln festgelegt.
Mieterinnen und Mieter können eine Mietzinsreduktion auch rückwirkend geltend machen, da der Anspruch erst nach fünf Jahren verjährt. Die Reduktion gilt jedoch nur ab dem Zeitpunkt, an dem der Vermieter über die Beeinträchtigung informiert wurde. Daher ist es entscheidend, den Vermieter möglichst frühzeitig, idealerweise direkt nach Beginn der Bauarbeiten, schriftlich und per Einschreiben über den Mangel zu benachrichtigen und die Beeinträchtigung stets zu dokumentieren – durch Bilder, Videos, Tonaufnahmen oder Messungen des Schalldruckpegels.