1. Die vertraglichen Abmachungen
Die Herstellung eines Print- oder andern Medienprodukts, auch die bestellte Herstellung von Werbemitteln und künstlerischen Werken basiert auf Werkverträgen im Sinne von Art. 363 ff. OR. Durch den Werkvertrag verpflichtet sich der oder die Unternehmer(in) zur Herstellung eines Werkes und der Besteller zur Leistung einer Vergütung. Die Antwort auf die Frage, wem die Objekt-Daten eines bestimmten Werkes in einer bestimmten Produktionsphase ge-hören, hängt ab von den vertraglichen (ausdrücklichen, stillschweigenden oder konkludenten) Abmachungen zwischen Kunstschaffenden/Grafiker/Agentur und Kunde sowie zwischen Kunstschaffenden/Grafiker/Agentur (oder Kunde) mit Druckereien oder Druckvorstufenbe-trieben.
2. Urheberrechtliche Grundsätze bezüglich künstlerischen Werken
Wo urheberrechtlich geschützte Werke geschaffen werden, gehen in der Regel ohne explizite vertragliche Abmachung nur beschränkte Nutzungsrechte auf den Auftraggeber oder Besteller über (Art. 16 Abs. 2 URG), nicht aber das ganze übertragbare Urheberrecht. Ent-sprechend werden auch an den Daten nur Nutzungsrechte, nicht Eigentum übertragen. Al-lerdings gibt es dazu eine gewichtige Ausnahme, eine Geschäftsusanz: Wer ein Firmenlogo oder gar ein Corporate Design bestellt, will damit unbeschränktes Eigentum am künstlerischen Werk einkaufen. Er darf bei solchen (sogenannt langfristig genutzten) Werbemitteln bzw. imagebildenden Kennzeichen davon ausgehen, dass er mit dem vereinbarten Honorar sowohl die Arbeit, als auch die Übertragung des Urheberrechts (und damit eines Datensatzes) bezahlt. Andernfalls müsste die Werbeagentur oder der Grafiker bei Vertragsabschluss darauf hinweisen, dass das Firmenlogo nur auf Zusehen hin genutzt werden dürfe und die volle Rechtsübertragung zu einem späteren Zeitpunkt erst gegen zusätzliche Honorierung erfolge. Diese Geschäftsusanz kommt auch in den Arbeitsgrundsätzen von ASW und BSW (Art. 19) zum Ausdruck.
Wenn bei sogenannter Zwischenbearbeitung von Daten keine vertraglichen Abmachungen bezüglich des Eigentums an Daten getroffen wurden, muss zuerst geprüft werden, ob der "Bearbeiter" ein neues urheberrechtlich geschütztes Werk (ein Werk zweiter Hand) geschaf-fen hat oder Miturheber ist. Die Fragen lauten:
a) Entsteht durch die Ergänzung ein Werk zweiter Hand, an welchem vom ursprünglichen Werk unabhängige Urheberrechte entstehen?
b) Entsteht ein Sammelwerk?
c) Entsteht durch die "Veredelung" Miturheberschaft am Werk des Grafikers?
2.1. Werk zweiter Hand?
Wenn ein Werk ergänzt oder "veredelt" wird, ist zu prüfen, ob trotz der Bearbeitung das Charakteristische des ursprünglichen Werkes erhalten bleibt oder nicht. Bearbeitungen, die lediglich durch geringfügige Änderungen und Umgestaltungen vom ursprünglichen Werk abweichen, sind keine Werke zweiter Hand (Barrelet/Egloff, Urheberrecht, 2. Aufl., Art. 3 URG, N4). Wenn Veredelungen oder Ergänzungen den ursprünglichen Charakter des Werkes nicht verändern, liegt kein Werk zweiter Hand vor. Die Daten gehören weiterhin dem ursprünglichen Schöpfer.
2.2. Sammelwerk?
Ein Sammelwerk gemäss Art. 4 URG ist eine Zusammenstellung von Werken oder Beiträgen, welche als Sammelwerk selbst wieder eine individuelle geistige Schöpfung ist. Entscheidend ist die Idee der Zusammenstellung; die blosse Addition macht noch kein Werk im urheberrechtlichen Sinn aus (Barrelet/Egloff, Art. 4, N4). Eine Datenbank kann somit ein Sammelwerk im Sinne des URG sein, wenn die einzelnen Daten für sich Werke darstellen und die Art und Weise der Zusammenstellung das Sammelwerk ergeben (z.B. Multimedia Produkte, siehe dazu Ziffer 7).
2.3. Miturheberschaft?
Miturheberschaft setzt eine Zusammenarbeit bei der Werkschöpfung voraus: es braucht eine "Verständigung über eine gemeinsame Aufgabe, eine gegenseitige Unterordnung unter eine Gesamtidee, unter ein gemeinsames Ziel" (Rehbinder, Schweizerisches Urheberrecht, 2. Aufl., S. 87). In diesem Ausnahmefall "gehören" die Daten dem Grafiker und der Druckerei. Ist der Druckvorstufenbetrieb aber von sich aus schöpferisch tätig, kann nicht von einer "Ver-ständigung über die gemeinsame Unterordnung unter der Gesamtidee" ausgegangen werden, das Urheberrecht liegt allein beim Grafiker oder der Agentur (die Daten "gehören" in einem solchen Fall dem Grafiker). Miturheber können nur gemeinsam über das Werk verfügen (Art. 7 URG).
Urheberrechtliche Ansprüche entstehen nur bei geistigen Schöpfungen mit individuellem Gepräge. Das Urheberrecht (beinhaltend Urheberpersönlichkeitsrechte und Urheberverwen-dungsrechte) fällt originär immer beim Schöpfer an. Das gilt sowohl bei analogen als auch bei digitalen Daten. Werbeagentur, Grafiker und/oder Druckerei können allenfalls ein Ver-wendungsrecht oder ein Bearbeitungsrecht erworben haben.
3. Datenbanken als urheberrechtlich geschützte Werke
Auch als Datenbank kann die Leistung des Betriebes nur dann urheberrechtlichen Schutz erlangen, wenn sie eine individuelle schöpferische Leistung ist. Die Schweiz verfügt über keinen spezifischen Schutz von Datenbanken, es sei denn, sie könne als Sammelwerk im Sinne von Art. 4 Abs. 1 URG qualifiziert werden. Es besteht diesbezüglich gegenüber dem EU-Recht eine Lücke (Weber 2001, S. 210).
Auswahl und Anordnung können aber den Grad einer geistigen Schöpfung mit individuellem Charakter erreichen (Weber 2001, S. 208f.). Wenn das Erstellen einer Datenbank der ei-gentliche Vertragsgegenstand war, gehört das Vertragswerk dem Besteller. Wenn es ledig-lich Hilfsmittel oder Werkzeug des Herstellers ist, gehört sie - anderslautende Verabredungen vorbehalten - dem Unternehmer.
4. Urheberrechtlich nicht geschützte Bearbeitungsdaten
Wenn keine urheberrechtlich geschützte Leistung vorliegt, gehören die bearbeiteten Daten dem Bearbeiter, das angelieferte Rohmaterial dem Besteller (vergl. dazu die Allgemeinen Geschäftsbedingungen des VSD). Alles, was der Besteller (Kunde) dem Hersteller geliefert hat (Werk, Werkstoff, Hilfsmittel, Nebenprodukte) gehört dem Besteller. Das zu bearbeitende Werk kann körperlich angeliefert worden sein (analoge Daten) oder unkörperlich (digitalisierte Daten, festgelegt auf einer Festplatte, Diskette oder CD-ROM). Wo eine Trennung von Rohmaterial und bearbeitetem Material nicht mehr möglich ist, ist allenfalls Art. 726 f. ZGB analog anzuwenden.
Allerdings hat sich - vor allem auch im Zusammenhang mit der ISO-Zertifizierung - eine kun-denfreundlichere Praxis verbreitet: das Eigentum an den Daten gehört dem Kunden, die Druckerei ist Dienstleisterin bezüglich Datenablage, Archivierung und Verwaltung (was u.U. etwas kostet). Nach Abschluss eines Auftrags hat der Unternehmer diesbezüglich eine nachvertragliche Aufklärungspflicht hinsichtlich der Archivierung.
5. Verwendungsrecht und Eigentumsrecht am Original?
Hersteller und Besteller erwerben u.U. von Dritten Nutzungsrechte an Illustrationen, ohne dass Eigentumsrechte am Original der Illustration oder an den Daten erworben werden (vergl. dazu Art. 10 der Geschäftsbedingungen der Graphic Designers SGD, Art. 9 Arbeits-grundsätze BSW/ASW, Ziff. 4 der allgemeinen Wiedergabe-Bedingungen des SBf-Tarifs).
6. Unterscheidung Endprodukt, Zwischenprodukt und Hilfsmittel
Der (Druck)-Unternehmer muss dem Kunden (Besteller) nur das Endprodukt abliefern, nicht aber die Zwischenprodukte, solange nichts Gegenteiliges vereinbart wurde. Anders verhält es sich nach Auftragsrecht: Der Beauftragte (Arzt, Anwalt, Berater etc.) muss nach Art. 400 OR alles herausgeben, was ihm "aus irgendeinem Grunde zugekommen ist".
Fotonegative sind - wie der belichtete Film - ohne gegenlautende Vereinbarung lediglich Hilfsmittel (Handelsgericht des Kantons Zürich in einem nicht weiter begründeten Entscheid ZR 40, 1941, Nr. 115, Bezirksgericht See, Urteil vom 20. Januar 1998, publ. in Glaus 2000, S. 64). Wenn der Besteller den belichteten Film geliefert hat, müssen ihm nicht nur die ent-wickelten Positive, sondern auch die Negative, die Werkträger, herausgegeben werden. Wenn ein Fotostudio die Fotos selbst gemacht hat, gehören die Negative dem Fotostudio - gegenlautende vertragliche Abmachungen vorbehalten. Daten, welche erst beim Druckun-ternehmer entstehen, z.B. Daten einer Werkbearbeitung (Lithos) muss der Druckunternehmer nach den oben erwähnten Grundsätzen nicht herausgeben, wenn es nicht vertraglich vereinbart wurde, weil er nur das Endprodukt und die angelieferten Werke, Werkstoffe und Hilfsmittel ausliefern muss.
Auch sachenrechtliche Überlegungen führen nicht zu einem andern Schluss: Nur vom Kun-den selbst belichtete Filme müssen als Negative wieder zurückgegeben werden. Durch die Entwicklung findet keine Verschiebung der Eigentumsrechte durch Verarbeitung statt (Art. 726 ZGB). Gleiches gilt für die Bearbeitung der vom Kunden angelieferten Daten: Diese müssen in der angelieferten Form zurückgegeben werden, die bearbeitete Version als Ne-benprodukt bleibt indes beim Druckunternehmen, solange nicht Gegenlautendes vereinbart wurde (siehe Ziffer 4).
7. Sonderfall Website
Eine Besonderheit stellt die Programmierung einer Website dar. Die einzelnen Webpages sind Textdateien, die in einem spezifischen Datenformat, dem sogenannten HyperTextMarkup-Language (HTML) gespeichert sind. Sie gelten urheberrechtlich nicht als Computerprogramme (Weber 2001, S. 199). Ein Computerprogramm liegt erst vor, wenn eine selbständig lauffähige Befehlsfolge möglich ist. Die Website aber setzt den Einsatz eines separaten Computerprogramms (Webbrowser) voraus. Die Website ist deshalb eine gewöhnliche Datei (Weber 2001). Sie kann aber den Grad eines Sammelwerkes (z.B. durch das originelle Zusammenfügen einzelner Webpages) oder eines anderen künstlerischen Werkes (z.B. als geschlossenes gestalterisches Ganzes) erreichen.
8. Aufbewahrungspflicht
Die ISO-Norm geht bezüglich Lauftaschen von einer fünfjährigen Aufbewahrungsfrist aus, welche sich an der Verjährungsfrist gemäss Art. 128 Abs. 3 OR für Handwerksarbeit orien-tiert.
Zu beachten ist indes die Aufbewahrungsfrist für im Handelsregister eingetragene Firmen, welche 10 Jahre beträgt für alle geschäftsrelevanten Daten. Die Aufbewahrungsfrist hängt eng mit der prozessrechtlichen Editionspflicht zusammen. Die Art. 957 ff. OR gelten "als Richtschnur dafür, wie rechtsrelevante Unterlagen bzw. Daten, die nicht unmittelbar kauf-männischer Natur sind (wie z.B. Produktionsdaten, Daten aus Computer Aided Design und Computer Aided Manufacturing) aufbewahrt und im Rechtsstreit gewürdigt werden müssen" (Botschaft des Bundesrates zur OR-Revision vom 31. März 1999). Das Führen der Ge-schäftsbücher schliesst gemäss erwähnter Botschaft auch die Aufbewahrung von Daten über die zu Grunde liegenden Geschäftsvorfälle ein.
"Aufzeichnungen auf Bild- oder Datenträgern haben die gleiche Beweiskraft wie die Unterla-gen selbst" (Art. 962 Abs. 4 OR). Da für Werkverträge keine besonderen Formvorschriften gelten, bedarf es der mit Originalunterschrift bezeugten Schriftlichkeit nicht. Eine Handsignie-rung ist nicht Voraussetzung für die Rechtsgültigkeit der Abmachungen. Es gelten die allge-meinen Grundsätze des Vertragsrechts und je nach Abmachungsart die Beweisregeln bzw. die Beweisprobleme (vergl. dazu Glaus, Das Recht der kommerziellen Kommunikation, Rap-perswil 2000, S. 62).
von Dr. iur. Bruno Glaus