Kaum zu glauben: Wortwörtlich kupferte ein Berner Oberländer Hotel den Prospekt eines Leading-Hotels ab. Weil sich das Leading-Hotel die vollen Urheberrechte übertragen liess, konnte es im eigenen Namen klagen.
Beim Abkupfern können grundsätzlich alle Beteiligten, die aktiv als Anstifter, Urheber oder Gehilfen mitwirken, eingeklagt werden. Sie sind — in der Juristensprache formuliert — passivlegitimiert. Und sie haften solidarisch (Art. 5O OR). Soweit das Konkurrenzhotel aktiv am Abkupfern beteiligt war oder begünstigt ist, kann es eingeklagt werden — anstelle oder neben dem klauenden Werber.
Wer ist klageberechtigt?
Auf der Klägerseite stellt sich die Frage, wer — unter urheberrechtlichen Titeln - als Kläger in Frage kommen kann, d.h. wer aktivlegitimiert ist? Nur der freischaffende Texter, welcher den Text kreiert hat? Oder nur die Werbeagentur, welche den Prospekt im Auftrag des Leading-Hotels produziert hatte? Oder gar das Hotel im eigenen Namen, nicht nur wegen unlauterem Wettbewerb, sondern auch wegen Verletzung des Urheberrechts.
Die Rechtsposition des klagenden Hotels gegenüber dem Abkupfernden hängt vom Innenverhältnis mit der (eigenen) Werbeagentur ab. Wenn sich das Hotel unbeschränkte Nutzungsbefugnisse oder gar die vollen Urheberrechte übertragen liess, kann das geschädigte Leading-Hotel im eigenen Namen gegen den abkupfernden Werber oder dessen Auftraggeberin - gegen diese allenfalls nur als Begünstige im Sinne von Art.50 Abs.3 OR - klagen.
Limitierte oder unlimitierte Rechte?
Urhebernutzungsrechte können in unterschiedlichem Umfang übertragen werden:
Limitierte — allenfalls exklusive - Nutzungsbefugnisse, beschränkt nach Ort, Zeit und Umfang (Lizenzvertrag).
Örtlich, zeitlich und umfangmässig nicht limitierte, umfassende — allenfalls exklusive -Nutzungsbefugnisse (Lizenzvertrag).
Übertragung des vollen (vermögensrechtlichen) Urheberrechts mittels Abtretungsvertrag. Der Urheber verzichtet darauf, die vermögensrechtlichen Rechte gegenüber irgendwelchen Dritten geltend zu machen und überlässt diese Befugnisse dem Werkbesteller.
Klagen im eigenen Namen
Auch bei der Vollabtretung verbleiben aber die Urheber-Persönlichkeitsrechte beim Urheber (Vergl. dazu persönlich-Ausgabe vom Januar 2000 zum Erstveröffentlichungsrecht, zum Recht auf Nennung und Verunstaltungsverbot). Der Erwerber des Urheberrechts kann aber im eigenen Namen Dritten gegenüber geltend machen, das Urheberrecht sei verletzt worden, wenn z.B. Dritte einen Prospekt eines Hotels abkupfern.
Vertragszweck ist entscheidend
Wo es an einer klaren vertraglichen Abmachung fehlt, ist auf den Zweck des zugrundeliegenden Vertrages abzustellen. Welche Rechte braucht der Besteller zur Erfüllung des Vertragszweckes? Vertragszweck kann das "Füllen" einer Tageszeitung, die Herstellung eines Prospektes, die Produktion eines Jahrbuches, eines Maschinenverzeichnisses oder einer Firmenbroschüre sein.
In der Werbebranche wird eine Unterscheidung in langfristig genutzte Werbemittel (Erscheinungsbilder, Marken, Briefschaften, Signete, Namenszüge, Verpackungen, Imagebroschüren etc.) und nur vorübergehend genutzte Werbemittel (z.B. Inserate, Neujahrskarten, Messeauftritt, aktionsbezogene Broschüren etc.) vorgenommen. Nach dem Wortlaut der ASW/BSW-Arbeitsgrundsätze gehen bei langfristig genutzten Werbemitteln die uneingeschränkten Nutzungsrechte auf den Werbeauftraggeber über.
Wo die ASW/BSW-Grundsätze nicht Vertragsbestandteil sind, muss nach Treu und Glauben gar auf eine Vollabtretung des Urheberrechts geschlossen werden.
Sonderregelung für Verlagswesen
Der Umfang der Rechtsübertragung ist häufig unklar, weil keine (expliziten) vertraglichen Vereinbarungen vorliegen. Im Verlagswesen kann in einem solchen Fall auf gesetzliche Bestimmungen zurückgegriffen werden: "Solange die Auflagen des Werkes, zu denen der Verleger berechtigt ist, nicht vergriffen sind, darf der Verlaggeber weder über das Werk im ganzen noch über dessen einzelne Teile zum Nachteile des Verlegers anderweitig verfügen. Zeitungsartikel und einzelne kleinere Aufsätze in Zeitschriften darf der Verlaggeber (Anm. der Autor) jederzeit weiter veröffentlichen. Beiträge an Sammelwerke oder grössere Beiträge an Zeitschriften darf der Verlaggeber nicht vor Ablauf von drei Monaten nach dem vollständigen Erscheinen des Beitrages weiter veröffentlichen" (Art. 382 Abs. 1 — 3 OR).
Im Zweifelsfall kaum
Wo weder ein Vertrag noch ein Gesetz den Umfang der Rechtsübertragung regeln — gilt die Übertragungszwecktheorie: Ohne gegenteilige Abrede überträgt der Urheber im Zweifel keine weitergehenden Befugnisse, als es der Vertragszweck erfordert (Art. 16 Abs. 2 UrhG). Noch unter altem Urheberrecht hatte das Bundesgericht in BGE 101 II 106 den folgenden Fall zu entscheiden:
Der Fall "Annabelle"
Die Annabelle veröffentlichte 1972 einen bei Prof. Dr. Max Lüscher bestellten Artikel zum Thema "Farbe bekennen". Lüscher musste Wohnraumbilder in farblicher Hinsicht populärwissenschaftlich besprechen. Ohne die Zustimmung Lüschers ermächtigte die "Annabelle" das deutsche Magazin "Besser Wohnen", Lüschers Abhandlung ebenfalls zu veröffentlichen, mit dem Vermerk, die Arbeit werde mit freundlicher Genehmigung der Zeitschrift "Annabelle" veröffentlicht.
Prof. Lüscher stellte sich in der Folge auf den Standpunkt, die Annabelle sei nicht berechtigt gewesen, den Artikel von Dritten abdrucken zu lassen und klagte gegen die "Annabelle". Das Bundesgericht hiess die Klage gegen "Annabelle" gut, weil sich "Annabelle" an der Urheberrechtsverletzung beteiligt habe und somit nach Art. 50 OR solidarisch hafte: "Die Beklagte ist auf den Plan getreten, bevor das Urheberrecht des Klägers durch die Veröffentlichung seines Artikels in der deutschen Zeitschrift verletzt worden ist. Blosse Begünstigung scheidet daher aus (-) Die Beklagte konnte als Verlegerin nicht im Zweifel sein, dass sie den Artikel ohne ausdrückliche Zustimmung des Klägers Dritten nicht zur Veröffentlichung überlassen durfte".
von Dr. iur. Bruno Glaus