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„Text- und Inserate-Klau“ – bisweilen erlaubt!

Das Bundesgericht hat jüngst einen Entscheid gefällt, der die News-Agenturen und Verlage schmerzen wird. Der Text und Inserate-Klau im Internet ist nämlich keineswegs immer verboten. Persönlich publiziert die wichtigsten Zitate aus dem Entscheid!

 

„Persönlich“ berichtete schon in der letzten Ausgabe, dass News von Agenturen keineswegs immer urheberrechtlich geschützte Werke sind. Das gilt auch für Inserate mit wenig textlichem oder grafischem Schöpfungsgrad.!

Zuerst das „Wachmann-Meili-Urteil“!
Nach dem „Wachmann-Meili“-Urteil des Bundesgerichts verstiegen sich einige Verlagsjuristen zu den tollsten Kapriolen. Sie behaupteten, das Bundesgerichtsurteil sei ein Fehlurteil, jede Pressefotografie und jeder Pressetext sei urheberrechtlich geschützt - der Urheberrechtsschutz von Fotografien habe nichts mit Kunst zu tun. In diesem Sinn äusserten sich anfangs Januar 2005 gleich mehrere Votanten an der vom MAZ (die Schweizer Journalisten Schule) und vom Schweizer Forum für Kommunikationsrecht (SF) organisierten „Soirée zum Schutz der Fotografie“. Dies entgegen dem klaren Wortlaut des Gesetzes, welcher nur die Schöpfungen der Literatur und der Kunst erfasst, und darunter namentlich auch „Sprachwerke“ und „fotografische Werke“ aufzählt. Es gehe nicht an, schreibt Gregor Wild in der Zeitschrift „Sic! 2/2005, gegen den klaren Wortlaut des Gesetzes jedem Bild Urheberrechtsschutz zu verleihen: „Das Kunsthafte ist auch für Fotografien elementare Bedingung des Urheberrechtsschutzes“. Das gleiche gilt aber auch für Texte. Nur Texte, die das Tatbestandsmerkmal „Kunst“ erfüllen, sind urheberrechtlich geschützt. Der Autor weist dann darauf hin, dass allerdings der systematische Inserateklau unlauter sein könnte.!

Dann der Nexpage-Entscheid!
Jetzt hat das Bundesgericht auch zum Inserate-Klau im Internet einen wegweisenden Entscheid gefällt. Hier die wichtigsten Auszüge:!

„Die übernommenen Daten sind veröffentlichte Immobilien-Inserate. Diese Daten sind als solche weder immaterialgüterrechtlich geschützt noch bedarf ihre Herstellung notwendigerweise eines Aufwandes, der die systematische Übernahme allgemein als unlauter erscheinen lassen könnte.“!

„Das Internet enthält eine Vielzahl von Daten. Sind diese als solche nicht immaterialgüterrechtlich geschützt, sondern frei zugänglich, so erscheint es grundsätzlich sinnvoll, dass sich der Wettbewerb unter den Plattform-Betreibern über die an bestimmten Bedürfnissen des Publikums orientierte Vollständigkeit, Verlässlichkeit und Erschliessung dieser Daten abspielt.“!

„Die systematische Suche von nexpage nach veröffentlichten, in ihr Angebot passenden Immobilien-Inseraten, deren Übernahme in die eigene Website sowie deren Anzeige nach den Strukturmerkmalen der eigenen Immobilien-Plattform ist als solche nicht unlauter.“!

„Nach Art. 5 lit. c UWG handelt insbesondere unlauter, wer das marktreife Arbeitsergebnis eines andern ohne angemessenen eigenen Aufwand durch technische Reproduktionsverfahren als solches übernimmt und verwertet.“!

Zur Verwertung fremder Arbeitserzeugnisse!
Das Bundesgericht geht ausführlich auf die massgebende Lauterkeitsnormen im Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) ein. Die Unlauterkeit der „Verwertung fremder Arbeitsergebnisse oder Leistungen“ wird in Art. 5 lit. c UWG definiert. Massgebend ist die Art und Weise der Übernahme. Die Verwertung fremder Arbeitsergebnisse ist nur dann verboten wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, dass das Ergebnis marktreif ist und es als solches übernommen sowie verwertet wird, wobei die Übernahme durch ein technisches Reproduktionsverfahren erfolgt und zwar ohne angemessenen eigenen Aufwand. Als marktreifes Arbeitsergebnis im Sinne von Art. 5 lit. c UWG ist ein Produkt zu verstehen, „das ohne weiteres Zutun gewerblich verwertet werden kann“.!

„Das marktreife Arbeitsergebnis muss nach Art. 5 lit. c UWG "unmittelbar übernommen und verwertet" werden.“!

„Massgebend ist für die Unlauterkeit des Verhaltens nach Art. 5 lit. c UWG, dass weder bei der Übernahme des fremden Arbeitsergebnisses durch technische Reproduktion noch bei der Verwertung ein angemessener eigener Aufwand betrieben wird.“!

„Zu diesen Aufwendungen gehört namentlich die Programmierung des Systems zur Übernahme der Daten aus den fremden Beständen sowie zu deren Aufbereitung, namentlich wenn das übernommene Arbeitsergebnis zunächst in dessen Bestandteile zerlegt und danach neu zusammengesetzt werden muss (-). Nach den Feststellungen im angefochtenen Urteil installiert die nexpage einen Such-Spider, mit dem sie das Internet auf die sie interessierenden Web-Seiten durchforstet, um die in ihr eigenes Angebot passenden, aktuellen und verlässlichen Immobilien-Inserate auf ihrer Website zu publizieren. Dafür ist eine ständige Kontrolle und Anpassung des Programms nötig.“!

„Zudem beschränkt sich der Aufwand der Beklagten für die eigene gewerbliche Verwertung dieser Inserate nicht auf deren Übernahme durch gängige technische Reproduktionsverfahren.“!

Zur Nachahmungsfreiheit!
Das Bundesgericht äussert sich auch zur Nachahmung und zur Kopierfreiheit bei Banalem: Das ist erlaubt.!

„Nach ständiger Rechtsprechung dürfen Leistungen oder Arbeitsergebnisse, die als solche keinen Immaterialgüterschutz geniessen, von jedermann genutzt werden; das Lauterkeitsrecht enthält kein generelles Verbot, fremde Leistungen nachzuahmen, sondern es besteht grundsätzlich Nachahmungsfreiheit (-).“!

„Die eigenen Arbeitsergebnisse können und müssen im arbeitsteiligen Wettbewerb nicht in sämtlichen Herstellungsschritten selbst entwickelt werden (-). Unlauter ist aber der parasitäre Wettbewerb, indem man einen Konkurrenten für sich arbeiten lässt und seine Leistung nutzt, um daraus (unmittelbar) einen eigenen Erfolg zu erzielen (-).“!

„Ausbeutung fremder Leistung liegt vor, wenn der Konkurrent um die Früchte seiner - erfolgreichen - Anstrengungen geprellt wird, indem diese unter Einsparung objektiv erforderlicher Aufwendungen unmittelbar als solche übernommen und zu eigenem Nutzen im Wettbewerb verwertet werden (-).“!

„Nach Ansicht der Klägerinnen sind die Geschäftspraktiken der Beklagten unlauter im Sinne von Art. 2 UWG, weil diese ihre Datenbanken systematisch absuche, kopiere und verwerte. Systematisches Vorgehen ist in der Rechtsprechung als unlauter qualifiziert worden, wenn sich etwa ein Nachahmer auf diese Weise planmässig an eine fremde Ausstattung heranschleicht, um den guten Ruf oder den Markterfolg von Konkurrenzprodukten in schmarotzerischer Weise auszubeuten (-).“!

 

Zur Spidertechnik im Internet!
Das World Wide Web ermöglicht den Teilnehmenden, sowohl Informationen zu konsumieren wie zu produzieren. Wer Informationen zur Verfügung stellen will, kann eine Internet-Plattform (Website) eröffnen, die als solche oder in einzelnen Teilen (Webseiten) über genaue Adressen (Uniform Resource Locator: URL) identifiziert sind (-). Die Webseiten werden in der Standard-Sprache HTML (Hyper Text Markup Language) zur Anzeige aufbereitet und können von Internet-Browsern angezeigt werden. Im Quellcode einer Website kann die Adresse (URL) einer andern Site vorprogrammiert sein (Hyperlink); der Nutzer der Ausgangsseite kann mit einem Mausklick auf die bezeichnete Stelle die Verbindung auslösen und dadurch die Zielseite auf seinem Bildschirm zur Darstellung bringen (-). Im World Wide Web findet sich eine unübersehbare Vielzahl von Daten. Um sie gezielt aufzufinden, wurden Suchmaschinen entwickelt. Sie bestehen aus einem sog. Crawler, Robot oder Spider, der pro Sekunde bis zu zehntausende Websites wie ein Nutzer nach bestimmten Schlüsselbegriffen auswählt und durchsucht. Die gezielte Suche wird regelmässig verwendet, um die Daten der ausgewählten Webseiten auf einen eigenen Server zu indexieren und allenfalls herunterzuladen (-).!

Mit dem Spider sucht sie im Internet sie interessierende Immobilien-Websites. Da die Immobilien-Plattformen ständig geändert würden, sei eine stetige Anpassung des Such-Spiders erforderlich. Die ausgewählten Websites - unter anderem diejenigen der Klägerinnen - lädt die Beklagte herunter, speichert und indexiert bzw. filtert sie nach ihren eigenen Stichwörtern so, dass die Daten bzw. die von ihr gewünschten Inserate nach ihren eigenen Kriterien herausgelesen und die entsprechenden Informationen in ihre eigene Website aufgenommen werden. Da die Daten auf der Website der Beklagten eine eigene Individualität erhalten sollen, ist dies nach den Erwägungen der Vorinstanz mit einem nicht unerheblichen Aufwand verbunden. (Auszüge aus dem „Inserateklau-Entscheid des Bundesgerichts).

 

von Dr. iur. Bruno Glaus


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