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Reduziert arbeitsfähig und teilzeitbeschäftigt?

Eine Teilzeitbeschäftigte mit einem 50-Prozent-Pensum wurde von ihrer Ärztin zu 50 Prozent krank („arbeitsunfähig“) geschrieben. Der Arbeitgeber stellte sich auf den Standpunkt, die Frau könne die Arbeitsunfähigkeit in ihre Freizeit „verlegen“ und sich in diesen 50 Prozent erholen.
In einem weiteren Streitfall stellte sich ein Arbeitgeber auf den Standpunkt, das Arztzeugnis bestätige lediglich eine reduzierte Arbeitsleistung, verpflichte die Frau aber dennoch, 50 Prozent (also im vereinbarten Pensum) am Arbeitsplatz anwesend zu sein.

Zumindest der zweite Streitpunkt kann vorgängig verhindert werden, indem sich das Arztzeugnis nicht nur zur prozentualen Arbeitsunfähigkeit äussert, sondern auch zur Art der Beeinträchtigung: Ist der Arbeitnehmerin die volle Anwesenheit am Arbeitsplatz nicht mehr zuzumuten oder handelt es sich lediglich um eine reduzierte Leistungsfähigkeit (z.B. Reduktion der Arbeitsgeschwindigkeit).

Etwas komplizierter stellt sich die Rechtslage im ersten Streitpunkt dar: Teilzeitangestellten kann nicht zugemutet werden, die Arbeitsunfähigkeit überwiegend in der Freizeit zu kompensieren. Vielmehr geht die Gerichtspraxis davon aus, dass sich die Teilarbeitsunfähigkeit proportional sowohl auf das Freizeitpensum als auch auf die Arbeitstätigkeit auswirkt, d.h. dass beide Teile um 50 Prozent reduziert werden. Bei 50 Prozent Arbeitsunfähigkeit reduziert sich das Arbeitspensum um 50 Prozent auf 25 Prozent. Auch die Dauer der Lohnfortzahlungspflicht ist häufig umstritten. Eine Mehrheit der Lehrmeinungen vertritt die Auffassung, dass sich die Lohnfortzahlungspflicht bei teilweiser Arbeitsunfähigkeit verlängere, das Minimum von drei Wochen Lohnanspruch im ersten Dienstjahr sich somit bei einer 50-prozentigen Arbeitsunfähigkeit auf sechs Wochen verlängere. Denn nur so erhalte ein teilweise Arbeitsunfähiger den gesetzlich garantierten „vollen Lohn“. Das Bundesgericht hat die Kontroverse noch nicht entschieden. Fest steht, dass die Krankentaggeldversicherungen oft eine fixe Dauer für die Lohnfortzahlung vorsehen, ohne dass sich diese Dauer bei nur teilweiser Arbeitsunfähigkeit verlängert. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass die Taggeldversicherungslösung gleichwertig ist mit dem gesetzlichen Lohnanspruch.

Ein Letztes: Auch Teilzeitangestellte kommen bei einer reduzierten Arbeitsunfähigkeit in den Genuss des Kündigungsschutzes während einer Krankheit. Nach Ablauf der Probezeit darf der Arbeitgeber auch bei teilweiser Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit oder Unfall das Arbeitsverhältnis nicht kündigen „im ersten Dienstjahr während 30 Tagen, ab dem zweiten bis und mit fünftem Dienstjahr während 90 Tagen und ab sechstem Dienstjahr während 180 Tagen“ (Art. 336c OR). Wenigstens zu dieser Frage gibt das Gesetz eine unmissverständliche Antwort. Das immerhin!

Publiziert im Sarganserländer

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