Sie gingen vor vielen Jahren Konkurs? Sie waren mit Alkohol am Steuer und bauten einen Unfall, der medial Aufsehen erregte und immer noch über Google-Recherche abrufbar ist? Sie vergriffen sich vor Jahren an einer Gemeindeversammlung in der Wortwahl und bedauern den Ausrutscher? Aber über Google sind die Medienberichte mit Ihrem Namen immer noch auffindbar? Peinlich, sagen Sie und fragen, gibt es denn kein Recht auf Vergessen und Anspruch gegenüber dem Medium oder Google auf Löschung?
Doch, es gibt ein Recht auf Löschung in den Archiven, aber nur mit Vorbehalten, d.h. unter qualifizierten Voraussetzungen: Das Aufgreifen oder Auffinden alter Sünden in den digitalen Medien kann nur verhindert werden, wenn das Archivmaterial weit zurückliegende Verhältnisse umfasst und ein aktueller Zugriff zu einer schwerwiegenden Beeinträchtigung in den persönlichen oder beruflichen Verhältnissen führt. Die Gerichte müssen im Konfliktfall eine Güterabwägung vornehmen gemäss den gesetzlich formulierten Kriterien (eidg. und kantonale Datenschutzgesetze, in der neuen EU-Datenschutzgrundverordnung: „Recht auf Vergessenwerden“). Erfolgreich klagte ein verurteilter Straftäter, weil eine Zeitung 20 Jahre nach der Verurteilung den alten Brei wieder aufgewärmt hatte – mit Namensnennung. Bis vor Strassburg klagte ein spanischer Anwalt, weil über Google seine Jahre zurückliegende Konkurs-Anzeige auffindbar war. Ein hoher Polizeibeamter, der wegen angeblichem Amtsmissbrauch Schlagzeilen machte, setzte erfolgreich durch, dass die Schweizerische Mediendatenbank auch den späteren Freispruch „nachschreiben“ musste, nachdem fast alle Medien nur über die Beschuldigungen, nicht aber über die Entlastung berichtet hatten. Er musste nicht gegen die einzelnen Zeitungen klagen, es genügte, die Schweizerische Mediendatenbank ins Recht zu fassen, welche über die öffentlich zugängliche swissdox.ch-Webseite abrufbar ist.
Diese Beispiele dürfen weder falsche Erwartungen noch falsche Hoffnung wecken. Nicht jeder Medienbericht, der nicht mehr den heutigen Verhältnissen entspricht, muss gesperrt oder geschwärzt werden in den Archiven. Wer einst öffentlich Karate-Kurse anbot, kann keine Löschung verlangen, weil er heute Ayurveda-Massagen anbietet (oder umgekehrt). Wer einst ein berüchtigtes Restaurant führte und so Eingang in die Medien fand, kann damalige (korrekte) Medienberichte nicht sperren lassen. Es gibt nicht nur ein Recht auf Vergessen, sondern auch ein Recht auf korrekte Erinnerung. Weiterhin nicht befriedigen kann die Tatsache, dass namentliche Berichterstattungen in den Medien während eines jahrelangen Verfahrens faktisch zu einer Vorverurteilung führen. Hier wäre dringend Abhilfe geboten. Und angemerkt sei, dass man die Trefferreihenfolge auf den Webseiten durchaus mit aktuellen neuen Medienmeldungen beeinflussen kann. Nicht jede Image-Steuerung kann über juristische Massnahmen erfolgen.
Publiziert im Sarganserländer