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Rahmenverträge: Goldene Fesseln für Kunden?

In den letzten Jahren feiern Rahmenverträge Inflation. Agentur wollen die verbindlichen Leitplanken der Zusammenarbeit mit den Kunden regeln. Der Teufel liegt aber auch hier im Detail - im Kleingedruckten. "persönlich" zeigt einige Schwachstellen auf.

Die Wirtschaftskrise in den 90-er Jahren des vergangenen Jahrhunderts und der dadurch entstandene Kostendruck haben zu einer Aufwertung des Vertragswesens geführt. Das ist an sich erfreulich. Nicht nur aus der Sicht der Juristen. Prävention ist auch hier besser als Heilen.

Werbeauftraggeber wollen verbindlicher wissen, was sie zu erwarten haben, kostenmässig, qualitätsmässig, im Konfliktfall, nach Auflösung des Vertrages. Viele Agenturen und Kunden schliessen deshalb zu Beginn oder zur Weiterführung einer Zusammenarbeit einen Rahmenvertrag ab. Dort wird auf Kleingedrucktes verwiesen und auf bereits erteilte Aufträge. Damit wird allerdings Verwirrung gestiftet, statt Klarheit geschaffen.

Warum ein Rahmenvertrag?

Mit dem Rahmenvertrag wollen die Vertragsparteien in der Regel mehrere Zielsetzungen erreichen:
• Mit einem übergeordneten Vertragswerk sollen die generellen Regeln der Zusammenarbeit vereinbart werden, damit die Vertragsparteien nicht bei jedem einzelnen Auftrag oder Projekt das Allgemeine regeln müssen, sondern sich auf die Spezifikationen beschränken können (Leitplankenfunktion).

• Die Agentur soll Ressourcen (brain, manpower, Logistik, Technik etc.) für die termingerechte Konzeption und Realisation einzelner Projekte sicherstellen (Gewährleistung der Verfügbarkeit).

• Die Parteien vereinbaren, zu welchen Aufwandtarifen oder Pauschalen Projekte realisiert werden (Kostentransparenz).

• Die Agentur bietet der Kundin Rabatte an, wenn das Auftragsvolumen jährlich eine Mindestsumme erreicht (finanzielle Vorteile).

• Mit dem Rahmenvertrag wird grünes Licht erteilt zur Zusammenarbeit, wobei die Parteien bis zu den einzelvertraglichen Abmachungen frei bleiben wollen.

Elemente des Rahmenvertrages

Im einem Rahmenvertrag regeln die Parteien folgendes:
• die Zielsetzungen der Zusammenarbeit,

• die Dauer der Zusammenarbeit und die Auflösungsmodalitäten,

• die allgemeinen Rechte und Pflichten der Agentur (Sorgfaltspflicht bei der Auswahl, der Instruktion und der Überwachung von Mitarbeitern und Dritten; monatliche Rapportierungspflicht, Pflicht, Projekte und Kostenvoranschläge schriftlich genehmigen zu lassen; Protokollierungspflicht etc.),

• die Pflichten des Kunden (Offenlegungspflicht, Gewährung des Zutrittsrechts, Zurverfügungstellen von Mitarbeitern etc.),

• die Honoraransätze,

• die Abrechnungs- und Zahlungsmodalitäten,

• das Rabattierungssystem,

• Nutzungsrechte und/oder geistiges Eigentum,

• Aufbewahrungs- und Herausgabepflichten an Daten,

 

Rahmen und Details vermischt
Sehr oft werden im Rahmenvertrag doch nicht nur der Rahmen, sondern auch einzelne erste Projekte namentlich erwähnt. Es ist von Auftragserteilung die Rede, obwohl in der Präambel erwähnt wird, Leistungspflichten und Leistungsrechte entstünden erst mit dem Abschluss von Einzelverträgen. Solche Vertragselemente in Rahmenverträgen sind verbindlich, es handelt sich um ein gemischtes Vertragswerk. Es enthält Rahmenvereinbarungen und einzelvertragliche Abmachungen. Probleme ergeben sich, wenn allgemein von namentlich genannten "absehbaren" Projekten die Rede ist. Wenn es an anderer Stelle heisst, die Parteien wollten erst gebunden sein, wenn die einzelnen Aufträge schriftlich erteilt worden seien, kann kein Anspruch auf Realisierung der "absehbaren" Projekte abgeleitet werden. Allerdings ist eine untere Grenze anzunehmen: Wenn ein Werbe-auftraggeber nach Abschluss eines Rahmenvertrages überhaupt keinen Auftrag erteilt, muss der die Kosten entschädigen, welche der Agentur aufgrund des Rahmenvertrages entstanden sind (z.B. Bereitstellen von manpower, Investitionen, Vertragsabschluss-Kosten etc.).

Verweis auf Protokolle
Problematisch sind die protokollarisch anmutenden Nebenklauseln in Rahmenverträgen: Beiläufig wird erwähnt, die Agentur habe im Rahmen der Langfriststrategie bereits Konzepte entwickelt. Hier bedeutet die Unterschrift Anerkennung der Leistungen. Und das gibt häufig Knatsch, wenn es zum Bruch kommt. Wenn auf Protokolle früherer Sitzungen verwiesen wird, sollte man diese am Schluss des Rahmenvertrages zum integrierenden Bestandteil des Abkommens erklären und dem Vertragswerk im Anhang beilegen.

Streit um geistiges Eigentum
Viele Agenturen übertragen mit ihren Rahmenverträgen nicht das ganze geistige Eigentum, sondern lediglich Nutzungsrechte am Geschaffenen. Und auch dies nur "für den vertraglich vereinbarten Zweck und für die Dauer der Zusammenarbeit". Damit wird die Kündigungsmöglichkeit des Kunden erschwert oder faktisch blockiert. Ein Agenturwechsel bedeutet Umstellungen im Corporate Design. Inserate können nicht mehr genutzt werden, ein Produkte-Handbuch muss weggeworfen werden, eine Verpackung muss neu gestaltet werden.

In diesem Zusammenhang ist auf Art. 19 der BSW / ASW - Honorargrundsätze hinzuweisen. Es werden dort gemäss Überschrift die "langfristig genutzten Werbemittel" geregelt: Alle werblichen Leistungen der Agentur, welche Erscheinungsbild-Charakter haben, werden mit Bezahlung der angemessenen Entschädigung zur uneingeschränkten Nutzung übertragen. Darin inbegriffen ist aber kein Bearbeitungsrecht des Kunden. Es sei denn, dies werde speziell vereinbart.

Was hat Erscheinungsbild-Charakter?
Eine klare Unterscheidung von langfristig genutzten Werbemitteln (mit Erscheinungsbild-Charakter) und solchen ohne Erscheinungsbild-Charakter ist aber in der Praxis oft nicht möglich oder schwierig. Mögen einzelne Texte für sich allein noch keinen Erscheinungsbild-Charakter haben, können sie als Gesamtes (z.B. in einem www-Auftritt) ein derartiges Gewicht bekommen. Gleiches gilt für Fotografien in Produktekatalogen. Muss nun der Kunde nach Vertragsauflösung auf der Web-Site oder im Produktekatalog alle Fotos und Texte auswechseln? Weil Nutzungsrechte nur für die Dauer der vertraglichen Zusammenarbeit übertragen wurden?

Nach dem Wortlaut vieler Rahmenverträge kann die Antwort nur so ausfallen: Ja, weil es im Kleingedruckten unter Umständen heisst: "An den Oberflächen, Marken, Signeten, Erscheinungsbildern und ähnlichen Arbeitsergebnissen hat der Kunde ein uneingeschränktes Nutzungsrecht, an allen andern Arbeitsergebnissen nur während der Dauer der vertraglichen Zusammenarbeit".

Empfehlung: Wo Nutzungsrechte nur für die Dauer der vertraglichen Zusammenarbeit übertragen werden, sollte schon im Rahmenvertrag vereinbart werden, zu welchem bestimmten oder bestimmbaren Wert die uneingeschränkte Nutzungs- und Bearbeitungsmöglichkeit bei Vertragsauflösung erworben werden kann.

Haftungs-Ausschlüsse
Rahmenverträge verweisen oft auf die allgemeinen Geschäftsbedingungen der Agentur. Kleingedrucktes relativiert die grossen Versprechungen.

Im Rahmenvertrag heisst es: "Die Agentur setzt die Vorgaben des Kunden effizient und zielgerichtet um. Es wird sichergestellt, dass Anpassungen effizient und kostengünstig realisiert werden". Im Kleingedruckten steht dann aber in Kontrast dazu: "Nur schriftlich zugesicherte Termine sind verbindlich". Oder: "Arbeitsergebnisse erfüllen die schriftlich zugesicherten Eigenschaften" (Anmerkung: nach Gesetz darf aber der Kunde auch die im normalen Geschäftsverkehr "vorausgesetzten" Eigenschaften erwarten, nicht nur die schriftlich "zugesicherten"). Auch die Haftung für Inhalte wird oft zurückgewiesen: "Für die Inhalte der Werbemittel trägt der Kunde die alleinige Verantwortung" (obwohl Texte und Illustrationen sehr oft von der Agentur vorgeschlagen werden).

Manchmal wird im Kleingedruckten auch die Verbindlichkeit der Kostenvoranschläge relativiert: "Kostenvoranschläge haben die Bedeutung einer Planungsgrundlage" (was nichts anderes heisst als: "Kostenvoranschläge sind nicht verbindlich").

Die Haftung wird im Kleingedruckten häufig auch betragsmässig begrenzt, z.B. auf 25 Prozent des Wertes der mangelhaften Leistung. Ausgeschlossen wird die Haftung für Schäden, welche entstehen, weil der Kunde die Verpflichtungen gegenüber Dritten nicht einhalten kann (sogenannte mittelbare Schäden). Oder die Kosten der Mängelbehebung (Nachbesserung) werden dem Kunden überbunden. Schliesslich heisst es gar: "Weitere Ansprüche aus Gewährleistung sind ausgeschlossen, insbesondere kann der Kunde auch nach entstandenem Schaden nicht vorzeitig vom Vertrag zurücktreten".

Die Verbindlichkeit des Kleingedruckten
Wenn sich Unklarheiten zwischen Rahmenvertrag und Kleingedrucktem ergeben, werden die Widersprüche im Zweifelsfall zu Gunsten derjenigen Vertragspartei ausgelegt, welche den Vertrag nicht entworfen hat (im Zweifelsfall gegen den Verfasser). Ungewöhnliche und atypische Vertragsklauseln sind nicht verbindlich (vergl. dazu Glaus, Das Recht der kommerziellen Kommunikation, "persönlich"-Verlag 2000, S. 63).

 

von Dr. iur. Bruno Glaus


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