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Protzen mit Referenzen: Es wird übertrieben!

Rauhere Winde, rauhere Sitten: Wenn gute Arbeitszeugnisse nicht mehr genügen (oder nicht vorhanden sind), beuten gestrandete Söhne die Referenzen ihrer ehemaligen Brotgeber schamlos aus. Das kann unlauter – und gar strafbar – sein.

 

In den konjunkturellen Wellentälern schiessen Berater und Beraterinnen aller Gattungen wie Pilze aus dem Boden. Der Kampf um die Nischen ist in vollem Gang. Und gekämpft wird mit harten Bandagen. In den Selbstdarstellungen übertreffen sich die selbsterkorenen Unternehmens-, Kommunikations- und Eventberater auf beeindruckende Art. „Projektverantwortung für Grosskonzerne wie ........“, „Akquisition von Millionenbudgets im Bereich des Corporate Publishings von .........“ heisst es vollmundig in einer selbstverfassten Laudatio, welche dem Bewerbungsschreiben beiliegt.

Das sind vergleichsweise harmlose Beispiele. Bisweilen greifen die neuen Wettbewerber vor allem im Internet-Auftritt zu borstigen Mitteln. Das Verdienst der früheren Arbeitgeberin wird als eigene Leistungen ausgegeben: „Tätigkeit für ......(es folgt eine Liste von Welt-Konzernen).“, heisst es im Internet. Und in einem andern Fall: „Kommunikationsstrategien für...........“. Es werden die früheren Agenturkunden gleich reihenweise aufgezählt – als Eigenkunden, ohne transparent zu machen, dass man im Rahmen eines Agenturteams für die in der Internet-Welt aufgelisteten Kunden gearbeitet hat.

Bekanntgabe von Agenturkunden erlaubt?
Müssen sich Agenturkunden gefallen lassen, dass sie im Internet ungefragt als Mitarbeiter-Referenz aufgeführt werden, wenn ausgeschiedene Kader sich selbständig machen? Die Antwort auf diese Frage ist unter verschiedenen Aspekten zu prüfen. Es ist eine Interessengüterabwägung vorzunehmen, soweit die vertraglichen Vereinbarungen diesen Aspekt nicht klar regeln – was selten der Fall ist, weder in Arbeitsverträgen mit Agenturmitarbeitern, noch in den Rahmenverträgen mit Kunden.

Persönlichkeitsrechtliche Aspekte
Das Interesse des Arbeitnehmers am wirtschaftlichen Fortkommen nimmt in der Gerichtspraxis einen hohen Stellenwert ein. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, die Leistung des Arbeitnehmers in einem Zeugnis zu dokumentieren (Art. 330a OR). In bestimmten Branchen (Grafik, Werbung usw.; siehe dazu „persönlich“ September 2001) wird gar eine Dokumentationspflicht des Arbeitgebers bejaht: Wer als Grafiker in einer Werbeagentur arbeitet, hat am Schluss des Arbeitsverhältnisses nicht nur Anspruch auf ein Leistungszeugnis, sondern auch auf Druckbelege seiner Arbeiten. Der Arbeitnehmer soll nachweisen können, welches seine Leistungen waren. Das wirtschaftliche Fortkommen soll nicht unnötigerweise erschwert werden. Unter diesem Aspekt ist festzuhalten, dass ein ehemaliger Mitarbeiter im Rahmen einer Bewerbung auf frühere Arbeiten Bezug nehmen darf – je nach Branche allenfalls gar mit namentlicher Nennung der Kunden. Zu beachten ist allerdings das einer Bekanntgabe entgegenstehende Geheimhaltungsinteresse des früheren Arbeitgebers und dessen Kunden (dazu nachfolgend).

Geheimhaltungsinteresse von Kunden
Arbeitnehmer sind von Gesetzes wegen zur Verschwiegenheit bezüglich von Fabrikations- oder Geschäftsgeheimnissen verpflichtet. Soweit es zur Wahrung der berechtigten Interessen des Arbeitgebers erforderlich ist, gilt diese Pflicht auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses (Art. 321a Abs. 4 OR). Der Begriff des Geschäftsgeheimnisses ist nicht in einem engeren Sinn, sondern branchen- und vertragsbezogen zu bestimmen. Als Grundsatz gilt: Klienten- und Kundenbeziehungen dürfen ohne Einwilligung der Arbeitgeberin nicht bekanntgegeben werden. Je nach Branche oder vertraglichen Vereinbarungen ist eine Bekanntgabe der Kunden- oder Klientennamen aber erlaubt. Im Bauwesen ist die Bekanntgabe von Architekt und beteiligten Fachleuten genauso üblich wie in der Werbebranche (im Gegensatz zum Corporate Publishing). In der Werbebranche kann die Bekanntgabe der Kunden-Agentur-Beziehung gar als Branchenusanz angenommen werden. Das ergibt sich u.a. auch aus dem gesetzlichen Anspruch, als Urheber von künstlerischen Werken genannt zu werden. Der urheberpersönlichkeitsrechtliche Anspruch überwiegt das Geheimhaltungsinteresse des Kunden – gegenteilige vertragliche Abmachungen (z.B. Verzicht auf Nennung des Schöpfers oder der Agentur) bleiben vorbehalten. Arbeitnehmer werden somit Referenzobjekte aus früheren Tätigkeiten im Rahmen von Bewerbungsschreiben erwähnen und Dritten bekanntgeben dürfen. Diese Informationen haben aber richtig zu sein und dürfen nur zum vereinbarten Zweck bekanntgegeben werden (Art. 4f. Datenschutzgesetz).

Konkurrenzverbotsklauseln
Mit schriftlicher Vereinbarung kann das während des Arbeitsverhältnisses von Gesetzes wegen geltende Konkurrenzverbot ausgedehnt werden auf die Zeit nach der Zusammenarbeit. In diesem Fall darf der Arbeitnehmer „weder auf eigene Rechnung ein Geschäft betreiben, das mit dem des Arbeitgebers in Wettbewerb steht, noch in einem solchen Geschäft tätig“ sein (Art. 340 OR). Das Werben mit Kunden kann, muss aber nicht zwingend das Konkurrenzverbot tangieren.

Schranken der Werbefreiheit
Wer sich selbstständig macht (aber nicht nur er!) hat die gesetzlichen Schranken der Werbefreiheit zu beachten. Art. 3 UWG (Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb) ist die Schlüsselnorm bei der Frage: was ist erlaubt, was ist nicht erlaubt? Es verbietet Art. 3 lit.b UWG alle unrichtigen oder irreführenden Angaben über die Geschäftsverhältnisse, wenn sie geeignet sind, den Wettbewerb zu beeinflussen. Die Lauterkeitsgrundsätze (www.lauterkeit.ch) konkretisieren diese Norm in den Ziffern 3.2 (Hinweise auf Personen) und 3.5 (Irreführende Äusserungen). Es kommt nicht auf die Schädigung an, es genügt, wenn die irreführenden Angaben marktgeneigt sind. Irreführend ist alles, was einen Widerspruch zwischen Realität und subjektiver Vorstellung bei den Adressaten bewirkt. Massgebend ist der „Empfängerhorizont“ und zu würdigen ist der „Gesamtkontext einer werblichen Aussage“. Angaben zu Referenzen unterliegen besonders strengen Anforderungen (vergl. dazu Carl Baudenbacher, Lauterkeitsrecht, Basel, Genf, München, Art. 3 lit.b UWG, Rz 129). Unter den Gesetzes-Tatbestand fallen auch krasse Fälle von Rufausbeutung oder gar des Vortäuschens von Geschäftsbeziehungen.

Zusammenfassung
Auf eine Kurzformel gebracht, kann die Güterabwägung wie folgt zusammengefasst werden: was zum beruflichen Fortkommen unbedingt erforderlich ist, darf im Rahmen der Branchengepflogenheiten und der bisherigen Veröffentlichungspraxis bekannt gegeben werden. Agenturmitarbeiter dürfen in Vorstellungsgesprächen und Bewerbungsschreiben kundenbezogen auf die frühere Tätigkeit Bezug nehmen, wenn diese Agenturbeziehung öffentlich geworden ist und der Bekanntgabe keine vertraglichen Abmachungen entgegenstehen. Zulässig wäre allenfalls auch ein allgemein gefasster Hinweis auf die frühere Agenturtätigkeit mit beispielhafter Aufzählung einiger Schlüsselkunden, für welche der Mitarbeiter gearbeitet hat. Nicht zulässig ist hingegen, das vollständige Aufzählen von Kunden, ohne den relativierenden Hinweis auf die Tätigkeiten, für welche man letztverantwortlich war. Vertragspartner war schliesslich die Agentur, nicht der Mitarbeiter. Wer dies nicht deutlich zum Ausdruck bringt, handelt unlauter – sowohl der Agentur, als auch den Kunden gegenüber. Diese müssen sich – auch aus datenschutzrechtlichen Gründen – eine Kontextentstellung oder gar Falschdarstellung nicht erlauben. Nicht nur die Falschinformation über natürliche Personen, auch die personenbezogene Falsch-Information über juristische Personen kann ein Verstoss gegen Bestimmungen des Datenschutzgesetzes sein. Dieses verlangt Richtigkeit der Daten, Vertraulichkeit der Daten, ausschliessliche Verwendung der Daten zum vereinbarten Zweck, um die wichtigsten Grundsätze der Datenbearbeitung zu nennen.

 

von Dr. iur. Bruno Glaus