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MediAcademy 2008: Patienten und Journalisten im Spannungsfeld von Werbung und Information bei Medikamenten Schreiben über Medikamente: Risiken und Gefahren für Journalisten

Vorbemerkung für Drittleser: Unter dem Titel „Patienten und Journalisten im Span-nungsfeld von Werbung und Information bei Medikamenten“ fand 2008t zum zweiten Mal ein von Reto Schlatter, Studienleiter MAZ, durchgeführtes Fachseminar des Pharmakonzerns Bayer statt. Das Referat von Dr. Bruno Glaus hat den Titel „Schreiben über Medikamente: Risiken und Gefahren für Journalisten“. Das Referat schliesst an die Vorreferate an – mögliche Überschneidungen sind nachfolgend kursiv markiert.

1. Vorbemerkung / Übersicht über das „Medienrecht“
10'000 Franken Busse musste ein Journalist bezahlen, weil er ein bestimmtes Präpa-rat „hochgejubelt“ hatte . Dieser Einzelfall soll indes nicht zur Dramatisierung verlei-ten. Noch ist einiges erlaubt, und Swissmedic behauptet gar: „Wir waren früher strenger, Präparate dürfen heute genannt werden, wenn sie sachlich und gleichwer-tig miteinander verglichen werden“. Wo sachlicher Journalismus und wissenschaftli-cher Erfahrungsaustausch mit direkten oder indirekten Werbebotschaften überlagert wird, greift die Swissmedic ein, doch hat sie in solchen Fällen oft Mühe, den tatsäch-lich Verantwortlichen zu eruieren. Auftragsjournalisten setzen sich einer besonderen Verantwortung aus: Denn Werbung, die sich versteckt, bleibt Werbung. Wer bezahlte Medienarbeit für Hersteller ausführt, übernimmt mit dem Schreiben auch Beanstan-dungs- und Verhinderungspflichten.

Die rechtliche Stellung der Medienschaffenden ist nicht in einem „Mediengesetz“ ge-regelt, wie beispielsweise in Österreich. „Medienrecht“ ist ein Label für eine Quer-schnittmaterie . Es kommen die allgemeinen gesetzlichen Normen – Grundfreiheiten und deren Schranken – auf das Medienschaffen zur Anwendung. Es gibt nur wenige Medienprivilegien, so im Strafrecht die Beschränkung der Strafbarkeit auf den Me-dienautor (Art. 28 StGB ) , den Quellenschutz (Art.28a StGB), die Entlastungsmög-lichkeiten bei Ehrverletzungsprozessen durch den Gutglaubensbeweis; im Daten-schutzrecht das beschränkte Auskunftsrecht über persönliche Arbeitsinstrumente (Art.10 DSG) und im Urheberrecht das Privileg bei Berichterstattungen über aktuelle Ereignisse (Art. 28 URG). Den wenigen Privilegien stehen einige berufsspezifische gesetzliche Pflichten gegenüber, so die Pflicht zur sachgerechten Berichterstat-tung für Medienschaffende bei Radio und Fernsehen (Art. 93 BV), die programm-rechtlichen Vorschriften und Werbeverbote im Bundesgesetz über Radio und Fern-sehen (Art.4ff. RTVG), die Pflicht zur Akkreditierung in der Gerichtsberichterstattung und die Pflicht, Gegendarstellungen und Berichtigungen zu veröffentlichen (Art.28 a ff. ZGB) und „Werbeverbote“ in sogenannten „Gefahrenbranchen“ – so insbesondere Alkohol, Tabak und Heilmittel (dazu nachfolgend Ziffer 2).

Angesichts der spärlichen Legiferierung zur Medienarbeit sind die medienethischen Grundsätze umso bedeutender. Dies haben sich die Branchenorganisationen über ihre Selbstregulierungsinstanz freiwillig auferlegt: Der Presserat hat diesen Kodex mit den ergänzenden Richtlinien in den letzten Jahren nachwirkend verfeinert und in jährlich mehreren Dutzend Stellungnahmen zur Anwendung gebracht. Die Lauter-keitskommission hat entsprechende Grundsätze für die kommerzielle Publikation de-finiert (dazu nachfolgend Ziffer 3).

2. Gesetzliche Schranken
Wer über Medikamente schreibt oder berichtet, bewegt sich in folgenden Gefahren-zonen:

2.1 Straf- und polizeirechtliche Schranken
Auch im Pharma-Bereich sind die gewöhnlichen strafbewehrten Rechtsgüter gemäss den Normen des Strafgesetzbuches und des Nebenstrafrechts (insbesondere im UWG) zu beachten. Redaktionelle Berichterstattung kann insbesondere die lauter-keitsrechtlichen Grundsätze verletzen, wenn falsch, irreführend oder herabsetzend über einzelne Unternehmen oder Produkte berichtet wird. Das UWG – Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb – kann durchaus eine „Medienfalle“ sein, wie die Berichterstattungen über die „Bernina“-Nähmaschine (BGE 117 IV 203) und über „Contra-Schmerz“ (BGE 124 III 211) zeigten. Im letzteren Fall musste die SRG we-gen exemplifizierender herabsetzender Berichterstattung 480'000 Franken Schaden-ersatz zahlen. In den meisten Fällen liegen die zugesprochenen Schadenersatz-Summen und/oder Bussen allerdings unter CHF 10'000.–.

Unter dem Titel „Risiken und Gefahren für Journalisten bei der Berichterstattung über Medikamente“ ist bei börsenkotierten Unternehmen auf Art. 161 f. StGB in Verbin-dung mit der Börsengesetzgebung und dem Kotierungsreglement hinzuweisen. Strafbar macht sich, wer eine vertrauliche, börsenrelevante Tatsache über ein bör-senkotiertes Unternehmen, welche er von einem Mitglied des Verwaltungsrates, der Geschäftsleitung, der Revisionstelle oder einem Beauftragten einer Aktiengesell-schaft mitgeteilt erhält und sich oder einem anderen durch Ausnützen dieser Mittei-lung einen Vermögensvorteil verschafft. Finanzanalysten und Fachjournalisten sind grundsätzlich keine Täter, es sei denn, sie stehen im Dienst einer Publikumsgesellschaft.

Zu beachten sind schliesslich auch der straf- und zivilrechtsbewehrte Schutz des Fabrikations- und Geschäftsgeheimnisses (Art.162 StGB und Art.6 UWG). Und zum Polizei- und Nebenstrafrecht zählen auch die strafbewehrten Werbeverbots-Vorschriften im Heilmittelgesetz und in der Arzneimittel-Werbeverordnung (AWV).

Das Heilmittel-Gesetz unterscheidet zwischen Fachwerbung und Publikumswerbung. Publikumswerbung kann auch in den redaktionellen Teil von Publikationen oder so-gar ins Internet einfliessen, wenn "der Markenname ausdrücklich genannt und die positiven Wirkungen beschrieben werden" . Es ging um Rabattkarten für junge Be-zügerinnen eines Contrazeptivums und parallele "Medieninformationen" teils im In-ternet ("zuhanden von Journalisten"). Die Aufsichtsbehörde Swissmedic hielt den Preisnachlass von 25% für eine unzulässige Werbemassnahme gegenüber dem Publikum. Sie ordnete einen Abbruch der Aktion und ausführliche Gegeninformation an. Das Bundesgericht wies eine Verwaltungsgerichtsbeschwerde von Schering ab.

Wird eine strafbare Handlung durch Veröffentlichung in einem Medium begangen und erschöpft sie sich in dieser Veröffentlichung, so ist, unter Vorbehalt der nachfol-genden Bestimmungen, der Autor allein verantwortlich (Art.28 StGB). Mediendelikte sind Tatbestände, welche ausschliesslich durch die Veröffentlichung als solche erfüllt werden: Ehrverletzungsdelikte, Störung der Glaubens- und Kultusfreiheit, aber auch Delikte des Nebenstrafrechts wie Vergehen gegen das Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb und gegen Werbeverbote in der Lebensmittel- und Heilmit-telgesetzgebung fallen unter die Mediendelikte. Wer als Verantwortlicher nach Arti-kel 28 Abs.2 und 3 StGB eine Veröffentlichung, durch die eine strafbare Handlung gegangen wird, nicht verhindert, kann sowohl bei vorsätzlichem als auch bei fahrläs-sigem Handeln bestraft werden (Art.322 bis StGB).

Subsidiär – wenn der Autor nicht eruiert oder in der Schweiz nicht vor Gericht gestellt werden kann – ist der zuständige Redaktor – das muss nicht der gemäss Impressum „zeichnende“ Redaktor sein – verantwortlich. Fehlt ein verantwortlicher Redaktor so ist jene Person nach Art.322bis StGB strafbar, die für die Veröffentlichung verantwort-lich ist. Wurden die publizierten Äusserungen unverändert aus einem anderen Medi-um entnommen, so gilt jene Person als Autorin, von der die ursprüngliche Veröffentli-chung stammt.

Mit dieser Regelung wird das strafrechtliche Risiko für den kaum überblickbaren Kreis der am medialen Produktionsprozess Beteiligten begrenzt. Die Einführung die-ser stufenweisen Verantwortlichkeit soll verhindern, dass die redaktionell verantwort-lichen Personen jeden Artikel mit möglicherweise strafbarem Inhalt ablehnen, weil sie ihn nicht auf den Wahrheitsgehalt überprüfen können. Und diesem Privileg folgend haben Medienschaffende – verbehältlich Verfahren bei besonders schweren Delikten - auch Aussage- und Zeugnisverweigerungsrecht (Art. 28a StGB).

Die wahrheitsgetreue Berichterstattung über öffentliche Verhandlungen und amtliche Mitteilungen einer Behörde (z.B. Swissmedic!!) ist straflos. Wieweit diese Bestim-mung analog auch zivilrechtliche Haftung ausschliesst ist umstritten. Jedenfalls darf sich ein Journalist nicht blind auf ein Polizei-Communiqué mit Namensnennung ver-lassen.

2.2 Programmrechtliche Schranken
Medienschaffende in Radio und Fernsehen sind strengeren Rahmenbedingungen ausgesetzt. Art.9ff RTVG verlangt die klare Trennung von redaktionellem Teil und Werbeteil. Ständige Programmmitarbeitende dürfen in den Werbesendungen nicht mitwirken. Art.10 RTVG regelt das Verbot der Schleichwerbung und der unterschwel-ligen Werbung. Zulässig ist das Sponsoring und das Product-Placement (Art. 12 RTVG und Art. 20f. RTVO ) nur, solange keine „Werbewirkung“ erzielt wird (mehr dazu unter www.glaus.com – werberechtliche Publikationen 2006). So wurden Verfahren eingeleitet und durchgezogen gegen Ringiers „Gesundheit Sprechstunde mit der Ga-lionsfigur Dr. med. Samuel Stutz und anonyme Geldgeber, welche sich hinter der Aerztevereinigung FMH als Sponsor versteckten, aber dafür mehr Medienpräsenz erhielten.

2.3 Zivilrechtliche Schrankenbereiche
Während die programmrechtlichen Schrankenbereiche nur für die Radio- und Fern-sehschaffenden gelten, kommen die zivilrechtlichen Schrankenbereiche auf alle Me-dienschaffenden zur Anwendung. Bei der Berichterstattung über Medikamente ste-hen die marken- und wettbewerbsrechtlichen Schranken im Vordergrund.

Lauterkeitsrechtlich problematisch können auch fragwürdige Preis- oder Konkurrenz-vergleiche oder übertriebene Angstmacherei sein . Begünstigende Darstellung kann in die Gefahrenzone von Art.3 lit.e UWG führen oder beim Verdecken von PR-Aufträgen auch unlauter im Sinne der Generalklausel von Art.2 UWG sein.

3. Medienethische Schranken
Weiter, aber teilweise doch deckungsgleich, reichen die medienethischen Grundsät-ze des Presserates. Vorrangig der Wahrheitssuche verpflichtet (Richtlinie 1.1.) be-achten sie das Gebot der Trennung von Fakten und Kommentar (Richtlinie 2.3), die Trennung von öffentlicher Funktion und Journalismus (Richtlinie 2.4), die Anhörungs-pflicht bei schweren Vorwürfen (Richtlinie 3.8) und insbesondere auch das Gebot der Trennung zwischen redaktionellem Teil und Werbung (Richtlinie 10.1 , entspricht Lauterkeits-Grundsatz (LK) 3.12 . Schliesslich sollten sie gemäss den Richtlinien keine Publi-Reportagen redigieren (Richtlinie 10.2). Die Annahme von Einladungen und Geschenken ist zwar nach Richtlinie 9.1 zulässig, aber nur soweit diese das üb-liche Mass nicht übersteigen (vergl. dazu auch Art.11 Kodex von Lissabon). Das gilt auch für soziale Beziehungen. Auf keinen Fall darf die Recherche durch die Annah-me von Geschenken und Einladungen beeinflusst werden (9.1.).

Das Fallbeispiel: Im Jahr 2006 hatte die "Berner Zeitung" ihr redaktionelles Angebot "Gesundheit" kommerziell aufgefrischt: Jeden zweiten Montag erschienen 2 Seiten einer eigenen Bundspitze "in Partnerschaft mit dem Inselspital Bern, der [psychiatri-schen] Privatklinik Meiringen und der Krankenkasse Visana". Ein spezialisierter Kommunikationsberater hatte das Paket geschnürt. Er suchte "erstklassige Institutio-nen", die Gesundheitsthemen lieferten und nach der Bundspitze bezahlte Publirepor-tage-Seiten platzieren würden. Anfänglich hatte die Bundspitze keinen Hinweis auf den Deal enthalten, was skeptische Medienrecherchen provozierte. Die Kritiker be-haupteten, es zeigten sich redaktionelle "Bisshemmungen" im politischen Umgang mit Subventionsbegehren der Partner, und einzelne Artikel läsen sich wie PR-Texte .Das Projekt ging in dieser Form ein Jahr später diskret zu Ende; einige Partner stie-gen aus, andere interessierten sich auf neuer Basis. Es gab offenbar enttäuschte Erwartungen.

Unter der Hand ist in der Branche oft von "Koppelungsgeschäften" die Rede (Inse-ratbuchung gegen die Zusicherung eines freundlichen redaktionellen Berichts im sel-ben Medium) oder von "bezahlter Herstellung" (PR-Interessent bezahlt Text- und Bildauslagen eines freundlichen Berichts im Medium). Solche Vorgänge kommen zwar selten an die Öffentlichkeit; sind aber – vorallem in der Fachpresse – gang und gäbe, vorallem in den Formen bezahlter Autopräsentationen oder Tourismusbericht-erstattungen . Auch unbezahltes Product Placement kann rechtswidrig sein – dann nämlich, wenn die Darstellung in Radio oder Fernsehen gegen das Sachgerechtig-keitsgebot verstösst, der Einsatz von Produkten realitätsfremd und marktschreierisch erfolgt.

Zu beachten sind schliesslich auch die LK-Grundsätze 3.3 zur „Durchführung und Kommunikation von Tests“ und 3.5 zur „vergleichenden Werbung“. Auch die Kom-munikation von Testergebnissen muss – wie die Durchführung von Tests folgende Kriterien beachten: Neutralität, Objektivität, Sachlichkeit und Transparenz. Die Lau-terkeitskommission hat dazu ergänzende „Richtlinien für Tests“ erlassen. Produkte-vergleiche im redaktionellen Teil müssen – jedenfalls wenn sie Werbewirkung erzeu-gen – den Grundsätzen zur vergleichenden Werbung gerecht werden.

Wenn redaktionelle Beiträge Werbeeffekte haben, kommt auf diese Texte auch der LK-Grundsatz 5.7 über die „Werbung für quasikosmetische/- medizinische Erzeug-nisse und Methoden“. Unter anderem darf keine krankheitsheilende Wirkung ange-priesen werden.

4. Fragen der Experten-Tätigkeit von Fachjournalisten
Mitwirkung von (kritischen) Journalisten in einer Kommission (z.B. der Eidgenössi-schen Arzneimittel-Kommission – EAK)

Es stellen sich Fragen, sowohl aus medienethischer Sicht (vorallem bezüglich der unabhängigen Berichterstattung) als auch aus rechtsstaatlicher Sicht (bezüglich der Unabhängigkeit und der Unbefangenheit einer Behörde). Die Unbefangenheit des Journalisten kann von diesen zwei Enden her eingefordert werden: Entweder der Journalist verzichtet darauf, in gewissen Fällen selber journalistisch tätig zu werden - als Rechercheur, Schreiber oder auch verantwortlicher Chef eines Medienbetriebs. "Gesundheitstipp" wäre ein solcher Betrieb. Tut er das glaubhaft, kann ein Journalist den Fall in der EAK mitbeurteilen. Oder - wenn der Journalist bereits in der Sache medial aktiv war – z.B. gegen Cholesterin-Senker geschrieben hat - er tritt in den Ausstand, sobald Gesuche dieser Art in der EAK zum Entscheid anstehen.

Ob dies zutrifft muss im Einzelfall - unter Berücksichtigung aller Umstände – beurteilt werden. Ausstandsregeln sind streng anzuwenden. Es darf nicht der kleinste An-schein der Befangenheit erweckt werden. Andernfalls könnten solche Entscheide anfechtbar sein. Allerdings führt nicht jede Experten-Tätigkeit im Nebenberuf not-wendigerweise zu einer Interessenkollision: Medienschaffende dürfen – wie Anwälte - als Experten in Prüfungskommissionen mitwirken, obwohl der Prüfling später viel-leicht in ein Konkurrenzverhältnis zum Prüfer gerät. Diese Möglichkeit allein führt noch nicht notwendig zu einer Interessenkollision (Bundesgericht 1987, Band 113 Ia S. 286).

Aus medienethischer Sicht ist folgendes festzuhalten: Der Schweizer Presserat sagt im Journalistenkodex klar: Journalisten verteidigen das Ansehen ihres Berufs (Jour-nalistenpflicht Nr. 2). In der kommentierenden Richtlinie 2.4. merkt der Presserat an, die journalistische Berufsausübung sei "grundsätzlich nicht mit der Ausübung einer öffentlichen Funktion vereinbar". Nur "ausnahmsweise aufgrund besonderer Um-stände" kann eine solche Funktion doch noch wahrgenommen werden, aber dann ist auf eine besonders "strikte Trennung der Funktion zu achten" (mehr dazu unter www.presserat.ch u.a.Stellungnahme 8/2001 "Bilan").

5. Relevanz der Werbeverbots-Vorschriften für Medienschaffende
Abschliessend ist die Frage zu prüfen, wieweit Werbeverbotsvorschriften im Heilmit-telgesetz, im KVG und in der Arzneimittel-Werbeverordnung (AWV) auch auf Journa-listen und Journalistinnen anwendbar bzw. von ihnen zu beachten sind.

Für Fachjournalisten ist krankheitsspezifische Information im reaktionellen Teil eine Gratwanderung. Die zwei vom Bundesgericht entschiedenen Fälle „Migräne“ (BGE 2A.63/2006 vom 10. August 2006) und „Neurodermitis“ (BGE 133 IV 222) haben dies in Erinnerung gerufen. Abgestellt wurde „auf die objektiv eindeutige Werbewirkung der Zeitschriften- und Zeitungsartikel“ (BGE 133 IV 222). In beiden Fällen ging es um Produkte, welche nur auf ärztliche Verschreibung abgegeben werden dürfen, bei de-nen somit Publikumwerbung gemäss Art. 32 Abs.2 lit.a HMG verboten ist, sobald auf Therapiemöglichkeiten hingewiesen wird. Insbesondere dann, wenn direkt oder indi-rekt auf bestimmte Arzneimitel hingewiesen wird, kann redaktionelle Berichterstat-tung u.U. „Werbecharakter“ haben. Denn die werberechtlichen Bestimmungen des Heilmittelgesetzes und der Arzneimittel-Werbeverordnung (AWV) können auch auf den redaktionellen Teil zur Anwendung kommen, weil nicht das formale Gefäss, son-dern der Inhalt, vorallem das “Ziel“ bzw. die „Wirkung“ einer kommerziellen oder redaktionellen Kommunikation massgebend ist. Dies bringt Art.1 Abs.2 AWV zum Ausdruck, wenn es dort heisst, die Verordnung gelte “nicht für Informationen allge-meiner Art über die Gesundheit oder über Krankheiten, sofern sich diese weder di-rekt noch indirekt auf bestimmte Arzneimittel beziehen“.

Ein indirekter Bezug liegt dann vor, wenn beispielsweise auf entscheidende Fort-schritte in der Bekämpfung einer Krankheit hingewiesen wird, d.h. Krankheit und Arzneimittel nur über Zwischenschritte miteinander verbunden werden können. Des-halb ist der Begriff „indirekter Bezug“ unter dem Gesichtspunkt des Legalitätsprinzips sehr restriktiv auszulegen (Eggenberger-Stöckli Art.1 N 40 - 42). Entgegen dieser Mahnung legt das Bundesgericht den Begriff im Migräne-Fall sehr weit aus und quali-fiziert bereits den Hinweis auf Wirkstoffe und Medikamenten-Gruppen (ohne Na-mensnennung) als indirekte Medikamenten-Werbung.

Im Fall „Pfizer/Migräne-Broschüre“ ging es um eine indirekte Bezugnahme. Obwohl in der ans Publikum verteilten Broschüre nicht ein Name eines Medikamentes, son-dern lediglich die Wirkstoff-Gruppe erwähnt wurde, erachtete das Bundesgericht die Broschüre als Werbung. Werbung sind gemäss Art. 2 AWV alle „Massnahmen zur Information, Marktbearbeitung und Schaffung von Anreizen, welche zum Ziel haben, die Verschreibung, die Abgabe, den Verkauf, den Verbrauch oder die Anwendung von Arzneimitteln zu fördern“. Publikumswerbung ist deshalb verboten, weil damit „Druck von Patienten“ auf den Arzt erzeugt werden könnte (BGE 133 IV 222). Wer gegen dieses Publikumswerbeverbot – das auch im redaktionellen Teil gilt – ver-stösst, wird gemäss Art.87 HMG sowohl bei Vorsatz als auch bei Fahrlässigkeit strafbar. Das Bundesgericht hielt im verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren fest, der Begriff „Werbung“ sei keineswegs unbestimmt. Es liege an der Verwaltung und den Gerichten, diesen Rechtsbegriff richtig auszulegen und anzuwenden (Selbstreferenzieller Begriff!!).

Im bereits erwähnten „Neurodermitis-Fall“ wurde eine Marketing-Managerin eines Pharmaunternehmens, welche den Werbetext bei einer Kommunikationsagentur be-stellt hatte, wegen Eventualvorsatz bestraft – im Urteil heisst es „in Anbetracht der konkreten Umstände und des Fachwissens der Beschwerdeführerin“. Die Verurteilte habe sich über mehrere Jahre mit Fachwerbung für den pharmazeutischen Bereich befasst und so ein vertieftes Fachwissen erworben. In dieser Eigenschaft habe sie die Zeitungsartikel „wissentlich zuhanden eines Laienpublikum abfassen und in Zeit-schriften und Zeitungen publizieren lassen“. In den Artikeln waren der Markenname und lobende Worte wie „neue Stern am Neurodermitis-Himmel“ , „kortisonfrei Wun-derwaffe gegen Neurodermitis“, „bahnbrechende Wirkung“ usw. verwendet worden. Gestützt darf schloss das Bundesgericht, dies seien „unmissverständliche Werbebot-schaften“. Die Beschwerdeführerin hätte dies spätestens bei der Genehmigung der Artikel zwecks Veröffentlichung in Publikumszeitschriften beanstanden bzw. verhin-dern müssen.

Mit dieser Formulierung wird angedeutet, dass sich Fachjournalisten ebenfalls in ei-ner Gefahrenzone bewegen, nämlich dort, wo sie Publikumszeitschriften und Zeitun-gen ohne branchenkompetente Fachredaktion solche Artikel anbieten. Der Eventual-vorsatz wird schon bejahrt, wenn ein Journalist „den Eintritt des Erfolgs bzw. die Verwirklichung des Tatbestandes für möglich hält, aber dennoch handelt, weil er den Erfolg für den Fall seines Eintritts in Kauf nimmt, sich mit ihm abfindet, mag er ihm auch unerwünscht sein“ . Ob ein Täter die Tatbestandsverwirklichung in Kauf ge-nommen hat, muss das Gericht aufgrund der Umstände entscheiden, wenn es an einem Geständnis einer beschuldigten Person fehlt. Das Bundesgericht nennt vier Kriterien:Die Grösse des dem Täter bekannten Risikos der Tatbestandsverwirkli-chung (d.h. der Werbewirkung, die Schwere der Sorgfaltspflichtverletzung, die Be-weggründ,die Art der Tathandlung.

Wieweit auch Journalisten selbst zur Verantwortung gezogen werden können, hängt vom Ziel der Berichterstattung ebenso ab, wie von der Art der Umsetzung. Wo die sachliche Informationsvermittlung im Vordergrund steht, wird man kaum von Wer-bung sprechen dürfen, auch wenn Zeitungsberichte durchaus geeignet sein können, den Markt für Arzneimittel zu beeinflussen. „Die Beurteilung, welche Zielsetzung im Vordergrund steht, ist aufgrund einer Gesamtbeurteilung vorzunehmen, wobei dem Informationsauftrag und – bedürfnis aller Marktteilnehmer Rechnung zu tragen ist“ . Willi weist zu Recht darauf hin, dass die Frage auch im Lichte eines neuen Patien-ten-Selbstbestimmungsverständnisses beurteilt werden müsse. Der selbstbewusste, auf Information bedachte Patient muss auch auf seinen eigenen Wegen, nicht nur über die von Aerzten monopolisierten Kanäle, Information beschaffen können.

6. Verwaltungsrechtliche Sanktionen als Folge von Medienarbeit
Eine Verletzung des Verbotes von Publikumswerbung kann auch verwaltungsrechtli-che Sanktionen nach Art. 65 KVV nach sich ziehen: die Nichtaufnahme in oder die Streichung des Arzneimittels von der Spezialitätenliste (SL). Andere, mildere Mass-nahmen sind nicht vorgesehen. Im Unterschied zur versicherungsrechtlichen Rege-lung kann unzulässige Werbung im heilmittelrechtlichen Kontext verschiedene weite-re verwaltungsrechtliche Sanktionen nach sich ziehen, u.a. Beanstandung, vorüber-gehendes oder dauerndes Werbeverbot, Widerruf der Zulassung (vgl. Art. 66 Abs. 2 lit. a, b und g HMG).In dieser Ordnung kommt das verfassungsrechtliche Prinzip zum Ausdruck, wonach auf Gesetz beruhende und durch das öffentliche Interesse ge-rechtfertigte Eingriffe in die Wirtschaftsfreiheit verhältnismässig sein müssen. Das Bundesamt verpflichtete die Vorinstanz, weitere Abklärungen vorzunehmen und „ins-besondere die Internet-Auftritte der Pfizer AG im Zusammenhang mit Erektionsstö-rungen einer genaueren Prüfung zu unterziehen und allenfalls beim Heilmittelinstitut Auskünfte über das Werbeverhalten der Firma aus Sicht der Heilmittelgesetzgebung einzuholen“. Im Weitern musste das BSV prüfen, ob eine mildere Massnahme als die Nichtaufnahme in die Spezialitätenliste anzuordnen wäre (Mahnung, befristete Nicht-aufnahme). Dabei hatte es den unbestritten hohen Bekanntheitsgrad von Viagra zu berücksichtigen und, soweit Tatsache, der eigendynamischen Thematisierung der sexuellen Potenz bzw. Potenzstörung durch die Medien Rechnung zu tragen.

7. Schlussbemerkungen : Vernetzung und Intertextualität beachten
Die Schranken der Rechtsordnung sind in der Praxis auch deshalb nicht leicht abzu-stecken, weil Aerzte, Pharmazeuten und Nichtpharmazeuten heute vielschichtig mit-einander kooperieren. So eignen sich Kosmetikerinnen mehr und mehr dermatologi-sche Kenntnisse an, Dermatologen befassen sich mit Kosmetik und Apotheker ver-stärken ihre Verkaufsberatung hinsichtlich Dermatika und Kosmetika. Dermopharma-zie, kosmetische Medizin, Cosmeceuticals sind die Schlagworte, die insbesondere auf die fließenden Übergänge zwischen Pflege, Prävention und Heilung hinweisen. In der Kooperation zwischen Kosmetikinstitut und Hautarztpraxis muß deshalb beachtet werden, dass der Hautarzt einem berufsrechtlichen Werbeverbot unterliegt, das ko-operierende Kosmetikinstitut oder der entsprechende Teil der GmbH dagegen nicht. Wichtig ist, dass sich die Werbung auf rein kosmetische Leistungen beschränken muß. Durch die räumliche Nähe entsteht jedoch ein hohes Maß an Verflechtung – und Synergie. Journalistinnen und Journalisten sehen sich deshalb mit Informations- und PR-Material aus höchst unterschiedlichen Quellen konfrontiert – Quellen, die durchaus Verbote benachbarter Disziplinen tangieren können. Der Absender allein ist noch kein Garant zu einem Freipass.

Zusammenfassung
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass auf ideelle (redaktionelle) und auf kommerzielle Kommunikation unterschiedliche medienethische Grundsätze und Selbstregulierungsgremien zur Anwendung kommen (Erklärung und Richtlinien mit Presserat in der redaktionellen Kommunikation, Lauterkeitsgrundsätze mit Lauter-keitskommission in der kommerziellen Kommunikation). Das Medienstrafrecht und auch das auf die Medien anwendbare Zivilrecht unterscheidet jedoch mit wenigen Ausnahmen nicht zwischen ideeller und kommerzieller Kommunikation . Programm-rechtlich unterliegt die redaktionelle Kommunikation in Radio und Fernsehen beson-deren Schranken. Sie sind verpflichtet, „sachgerecht“ zu berichten (Sachgerechtig-keitsgebot). Hingegen unterliegt die redaktionelle Kommunikation der Print- und On-line-Medien keiner speziellen Mediengesetzgebung, es gelten lediglich die allgemei-nen gesetzlichen Schranken (Persönlichkeitsschutz, Lauterkeitsrecht usw.) und eini-ge wenige Medienprivilegien. Die kommerzielle Kommunikation – wozu auch die Schleichwerbung im redaktionellen Teil zählt - unterliegt einer Reihe von spezialge-setzlichen Schranken, insbesondere auch im Pharmabereich (AWV). Die Grenzen zwischen redaktioneller Kommunikation und kommerzieller Kommunikation sind so-mit fliessend und können sich überschneiden.

 

1 Mündliche Auskunft des Swissmedic-Advertising Reviewers Dr. R. Brönnimann.

2 Siehe nachfolgend Ziffer 5 m.V.

3 Studer/Mayr von Baldegg, Medienrecht, 3. Auflage, Zürich 2006, S. 10.

4 Der Medienbegriff ist weit gefasst und schliesst auch Internet und Prospekte ein.

5 Die heilmittelrechtlichen Rahmenbedingungen wurden an der Tagung MediAcademy insbesondere durch die Referate von Dr. Frank Scherrer und Dr. Gabriela Taugwalder „“Aktuelle Bundesgerichtsentscheide zu Werbung und Information bei Medikamenten“ sowie Dr. Tomas Poledna „Die Internetrichtlinien der Swissmedic: Wie praxistauglich sind sie?“ aufgezeigt.

6 Peter Studer, Das UWG – eine Medienfalle? in: Wettbewerbsrecht, Handbücher für die Anwaltspraxis Band IX, N.11.1ff.

7 Lucas David / Reto Jabobs, Schweizerisches Wettbewerbsrecht, Bern 2005, S.204 ff. und 225 f.

8 Bruno Glaus, Schweigeklauseln wegen Ad hoc-Publizität, persönlich Januar/Februar 2007: Börsenkotierte Unternehmen sind gestützt auf Art.11 Börsengesetz verpflichtet, kursrelevante Informationen sofort und allen Marktteilnehmern gleichzeitig bekanntzugeben. Das hat Folgen auch für Kommunkationsagenturen und Journa-listen (siehe dazu www.glaus.com – werberechtliche Publikationen, Jan/Feb.2007).

9 Hans Vest, Reader zum Selbststudium 2008, S.126.

10 BGE 2A.20/2007 vom 9. 5. 2007 – Scherings "LoveCard", ebenso BGE 2A.787/2006 „“Migräne und Sport“.

11 Siehe Fn 5.

12 BSK StGB I Franz Zeller Art.28 N 30

13 BSK StGB I Franz Zeller Art.28 N 40 mit Verweis auf BGE 82 IV 71ff.

14 Product Placement ist üblicherweise als Sponsoring zu betrachten, weshalb im Radio- und TV-Bereich die Sponsoring-Richtlinien des BAKOM zu beachten sind (zu finden unter www.bakom.ch ).

15 1 Waren und Dienstleistungen, die ein Sponsor zur Verfügung stellt, dürfen in die Sendung integriert werden (Produkteplatzierung). Die Produkteplatzierung gilt als Sponsoring. Sie darf keine Werbewirkung für den Sponsor oder für Dritte erzeugen. 2 Sendungen mit Produkteplatzierung müssen am Anfang der Sendung ent-sprechend gekennzeichnet sein. Insbesondere ist in der Sponsornennung darauf hinzuweisen, welche Produkte die Sponsoren zur Verfügung stellen. 3 In Kindersendungen ist die Produkteplatzierung unzulässig.

16 Studer N.11.39 (BGE 125 III 286 „Physikzeitschriften“, 11.40 (LK vom 27.4.200 „ZürichExpress“) und 11.48 ff. („Mikrowellen“)

17 Studer N 11.54 und 11.23 (Journalist verheimlicht PR-Mandate und verstösst gegen Trennungsgebot).

18 Die Trennung zwischen redaktionellem Teil bzw. Programm und Werbung ist optisch und begrifflich klar zu kennzeichnen. Journalstinnen und Journalisten haben diese Abgrenzung zu gewährleisten und dürfen sie nicht durch Einfügen von Schleichwerbung in der redaktionellen Berichterstattung verletzen. Die Grenze des Zulässi-gen ist überschritten, wenn eine Marke, ein Produkt oder eine Leistung oder deren wiederholte Nennung weder einem legitimen öffentlichen Interesse noch dem Anspruch des Publikums auf Information entspricht.

19 Explizit geregelt werden die „Kennzeichnung und Erkennbarkeit von kommerzieller Kommunikation“, das „Verbot der Schleichwerbung“, das „ Verbot der Koppelung von kommerzieller Kommunikation mit redaktio-nellen Beiträgen“ und „Sponsoring von redaktionellen Beiträgen“, „Product Placement“, „Beilagen“ und „PR-Botschaften auf bezahltem Raum“..

20 „NZZ am Sonntag", 16. 7. 06; "Klartext", 1. 8. 06)

21 Vademekum, Leitfaden zu den Stellungnahmen des Schweizer Presserats, Interlaken 2002, Kapitel 8, oder laufende Entscheide auf www.presserat.ch, insbesondere auch Richtlinien zu verpönter Werbung in Jahresheft 2007.

22 Fn 5.

23 Christoph Willi, Der informierte Patient ist der beste Patient, AJP 2/2008, S.164.

24 BGE 133 IV 1 und 222

25 Christoph Willi AJP 2/2008, S. 164

26 http://www.schoenheit-und-medizin.de/news/aesthetische-chirurgie/werbeverbot-schoenheitsoperationen.html:
„Erst die Aufhebung des Werbeverbots im Jahr 2000 hat ermöglicht, Patienten über die realistischen Möglich-keiten - d.h. natürlich auch über Grenzen und Risiken - ästhetisch-plastischer Operationen zu informieren. Nie zuvor waren Patienten so gut über die Ästhetisch-Plastische Chirurgie aufgeklärt wie heute. Dies ist vor allem den Fachgesellschaften und den Plastischen Chirurgen selbst zu verdanken, die immer wieder auf Qualitäts-standards und Qualifikationsprofile hingewiesen und vor übertriebenem Machbarkeitswahn und undurchsichti-gen Aktionsangeboten gewarnt haben", wird Dr. Rolf Kleinen zitiert.

27 BGE 129 V 32 m.V. auf BGE 128 I 94 f. Erw. 2a und b.

28 BSK StGB I Franz Zeller Art.28 N 24

 

von Dr. iur. Bruno Glaus


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