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Kostenloses Offerieren hat seine Grenzen

Abtasten und Verhandeln — wenn möglich kostenlos.
Nach dieser Devise holen einzelne Unternehmen Agentur-Offerten im Multipack ein. Und klauen aus allem die besten Ideen. Dass Offerieren und Präsentieren Kostenfolgen nach sich ziehen können, zeigt Teil 2 der "persönlich"-Serie zum Werbevertragsrecht.

Zusammenarbeitsverträge kommen im Werbe- und PR-Bereich auf drei verschiedenen Wegen zustande:

• über mehr oder weniger strukturierte Vertragsverhandlungen mit einzelnen Agenturen, welche zu formlosen oder schriftlichen Verträgen führen;

• über strukturierte Submissions-Offertverfahren, welche zu Verträgen führen;

• über ein strukturierte Submissions-Wettbewerbsverfahren, welche zu Zusammenarbeitsverträgen führen.

 

Fairnesspflicht
Was Auftraggeber und Agenturen selten wissen: Schon die Aufnahme von Vertrags-Verhandlungen bewirkt ein Rechtsverhältnis zwischen den Parteien, ungeachtet dessen, ob die Verhandlungen zu einem Vertragsabschluss führen oder nicht. Wer verhandelt, verpflichtet sich grundsätzlich zu einem Verhalten, das Treu und Glauben entspricht. Fairness ist angesagt. Wer gegen diese Regel verstösst, macht sich eines schuldhaften Verhandlungsgebahrens haftbar (culpa in contrahendo).

Vorvertragliche Aufklärungspflicht
Schon in der Phase der Vertragsverhandlungen sind überdies vorvertragliche Aufklärungspflichten zu beachten. Eine Agentur hat die Pflicht, die Unternehmung auf unrichtige Anordnungen in den Offertunterlagen oder auf Verhältnisse hinzuweisen, welche die gehörige oder rechtzeitige Ausführung einer Kampagne oder eines andern geplanten Werks gefährden. Dies jedenfalls, soweit eine Unternehmung solche Umstände nicht selbst erkennen müsste.

Verletzung von Spielregeln
Auch der Werbeauftraggeber (Besteller) kann sich vorvertraglich treuwidrig verhalten:

• indem er Arbeiten in Verletzung der vereinbarten Vergaberegeln vergibt (dazu unten);

• indem er unrichtige Angaben über kostenbildende oder konzeptrelevante Faktoren macht;

• indem er Offerten oder Vorstudien für anderweitige Ausführung mit anderen Agenturen verwendet;

• indem er eine detaillierte Offerte mit Leistungsverzeichnis weitergibt, um eine Konkurrenzofferte einzuholen;

Wer solche Spielregeln verletzt, wird schadenersatzpflichtig.

Die Verhandlungskosten
Die Kosten fairer Verhandlungen sind jedoch selbst dann von jeder Partei selbst zu tragen, wenn es nicht zu einem Vertragsabschluss kommt. Dieser allgemeine Grundsatz gilt auch für die Kosten einer Agenturofferte (unter Einschluss der Kalkulationskosten) und zwar auch dann, wenn eine Agentur auf Verlangen offeriert hat. Es sei denn, die Parteien hätten zum voraus etwas anderes vereinbart, indem sie beispielsweise schon in der Verhandlungsphase die "Arbeitsgrundsätze und Honorarordnung" des BSW verbindlich erklärt haben, wo es in Ziffer 12 unter der Überschrift "Exposé / Präsentationen" heisst: "Die Werbeagentur erbringt keine unentgeltlichen Vorleistungen". Man beachte indes: Eine Offerte ist noch nicht unbedingt ein "Exposé". Offertkosten gelten nach allgemeiner Verkehrsauffassung zu den Gemeinkosten jedes Unternehmers.

Kosten für Vorstudien
Wer indes in Vertragsverhandlungen über den Abschluss eines Werbeberatungs- oder Zusammenarbeitsvertrags erste Projektstudien (oder sogenannte Vorstudien) in Auftrag gibt, die über herkömmliche Offertgrundlagen hinausgehen, hat dafür eine Entschädigung zu leisten (BGE 199 II 40). Er kann sich dieser Pflicht nicht mit der Begründung entziehen, es sei gar nicht zu einem Vertragsverhältnis gekommen, man habe die Offerte der Agentur nicht weiterverfolgt, geschweige denn angenommen. Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung liegt in solchen Fällen neben der unentgeltlichen Offertstellung unter Umständen ein Teilvertragsverhältnis vor, welches sich stillschweigend oder konkludent auf die Vorstudie bezieht. Die solche Vorstudien hinnehmende Auftraggeberin kann nicht davon ausgehen, diese Leistungen seien unentgeltlich.

Nicht kostenpflichtig sind Vorstudien nur dann, wenn die Agentur diese Leistungen ohne stillschweigende oder ausdrückliche Zustimmung des Bestellers erbringt.

Bereicherung durch Ideenklau
Die Pflicht, Vorstudien oder Grobkonzepte, zu bezahlen, kann sich auch aus dem urheberrechtlichen Werkschutz ergeben. Wer aus offertbezogenen Plänen, Entwürfen oder ähnlichen Unterlagen Nutzen zieht, ohne hiezu berechtigt zu sein, hat die ungerechtfertigte Bereicherung gemäss Art. 62 OR zurückzuerstatten. Das Bundesgericht hat dazu ausgeführt:

"Cependant, le droit de l'auteur du projet à une rémunération peut découler également du fait que le destinataire de cette prestation, même si elle ne constitue qu'une simple offre suivant le stade des négociations auquel elle intervient, en tire effectivement parti, c’est-à-dire réalise ou fait réaliser les idées qui y sont incorporées. En ce cas, le bénéficiaire de la prestation la met à profit alors qu'il ne peut ignorer, puisque cela correspond au cours ordinaire des choses, que celui qui la lui a fournie n'entendait pas le faire à titre gracieux; en agissant de la sorte, il s'oblige à effectuer une contre-prestation dont le montant doit être déterminé suivant les principes applicables en matière contractuelle. En revanche, celui qui utilise dans son propre intérêt une prestation d'autrui qui ne lui était pas destinée ou qui ne lui a pas été fournie dans ce but-là devra indemniser l'auteur de ladite prestation conformément aux règles concernant l'enrichissement illégitime ou la gestion d'affaires imparfaite" (BGE 119 II 44).

Das Submissionsverfahren
In einem gewöhnlichen Submissionverfahren treten verschiedene Agenturen in einem geordneten Verfahren in Konkurrenz, der Besteller (Werbeauftraggeber) wählt — ohne an Wettbewerbsbedingungen gebunden zu sein - einen Vertragspartner aus. Im Submissionsverfahren lädt der Ausschreiber die eingeladenen Unternehmer (die Submittenten) zur Offertstellung ein und erklärt seine grundsätzliche Bereitschaft zum Vertragsabschluss. Die Einladung richtet sich entweder an eine beliebige Zahl von Agenturen ("offene Ausschreibung") oder an eine begrenzte Zahl ("begrenzte Ausschreibung").

Im sogenannten "selektiven Verfahren" — einer Untervariante der begrenzten Ausschreibung — stellen die an einer Offertabgabe interessierten Agenturen einen Antrag auf Teilnahme, worauf der Werbeauftraggeber aufgrund bestimmter Eignungskriterien entscheidet, welche Agenturen ein Angebot einreichen dürfen (man spricht von einer "Präqualifikation").

Im sogenannten Vorsubmissionsverfahren wird eine Teil- oder Einzelleistung (z.B. das Direkt-Marketing oder das Corporate Design) evaluiert. Die ausgewählte Agentur wird schliesslich im Hauptsubmissionsverfahren "gesetzt" und "zwangsverheiratet" mit der Hauptagentur

Der Submissionswettbewerb
Der Submissionswettbewerb ist ein Preisausschreibeverfahren im Sinne von Art. 8 OR. Ein potentieller Werbeauftraggeber veranstaltet einen Wettbewerb, indem er gegen Aussetzung eines Preises (z.B. In-Aussicht-Stellen eines längerfristigen Zusammenarbeitsvertrages) zur Offertstellung einlädt. Die Offerte ist oft mit der Ausarbeitung eines Grobkonzepts verknüpft und wird pauschal entschädigt.

Vom reinen Submissionsverfahren unterscheidet sich das Wettbewerbsverfahren auch dadurch, dass im Wettbewerbsverfahren nicht unbedingt ein klar umschriebenes Projekt Gegenstand des Offertwesens ist, sondern allgemeine Werbe-, PR- und Branding-Ideen gesucht werden.

Grundlage des Preisausschreibeverfahren bilden die Ausschreibungsunterlagen, welche die Ausgangslage, Aufgabenstellung und die Verhandlungsgrundlage sowie Wettbewerbsbedingungen enthalten (sollten!). Die Wettbewerbsbedingungen regeln das (Auswahl)-Verfahren sowie die Jury. Daraus sollte hervorgehen, welches der Inhalt des zu erwartenden Zusammenarbeitsvertrages ist (Art, Umfang, Dauer und Entschädigung der Leistungen).

Im Werbe- und PR-Bereich besteht ein Anleitungsbedarf, führen doch namhafte Unternehmungen Submissionswettbewerbe immer noch auf einem geradezu peinlichen Feld-Wald-und Wiesen-Niveau durch. Die Baubranche hat mit der SIA-Ordnung 142 für Architektur- und Ingenieurwettbewerbe für einen einheitlichen Standard gesorgt. Den Werbe- und PR-Branchenverbänden steht — so bleibt zu hoffen - diese edle Aufgabe erst noch bevor.

Die enttäuschte Agentur
Grundsätzlich hat der nicht berücksichtigte Offertsteller oder Submittent (d.h. die Agentur) im Offert- oder Submissionsverfahren keinen Anspruch gegenüber dem Werbeauftraggeber. Ein Entgelt für ihre Aufwendungen kann die Agentur nur fordern, wenn dies vereinbart wurde. In Submissionswettbewerben wird häufig allen Teilnehmern eine minimale Grundpauschale in Aussicht gestellt.

Nur dann, wenn Spielregeln verletzt werden (Siehe oben), hat die nichtberücksichtigte Agentur Anspruch auf vollen Ersatz des Schadens. Der Schaden besteht aus den Vermögensnachteilen, welchen der Agentur aus der Teilnahme an der Submission oder am Wettbewerb entstanden ist. Je nach Umständen hat die Agentur auch Anspruch auf den entgangenen Gewinn.

Schadenersatzpflicht
Schadenersatzpflichtig wird der Werbeauftraggeber,

• wenn er ohne zwingende sachliche Gründe keinem der eingeladenen Bewerber den in Aussicht gestellten Preis bzw. Auftrag vergibt, sondern einem Nichtbeteiligten;

• wenn er die Vergabe-Regeln oder das Vergabe-Verfahren nicht einhält, indem er beispielsweise ein submissionswidriges Angebot berücksichtigt,

• wenn er die Idee der nichtberücksichtigten Variante von einer andern Agentur weiterverfolgen lässt.

  

Verhandlung, Submission und Wettbewerb
Auf Vertragsverhandlungen auf der Basis einfacher Offerten kommen die allgemeinen Bestimmungen des Obligationenrechts (Art. 1 ff. OR) zur Anwendung.

Das gewöhnliche Submissions-Offertwesen ist im Gesetz nicht ausdrücklich geregelt. Auf Submissionsverfahren der öffentlichen Hand können auch im Werbebereich die öffentlich-rechtlichen Submissionsbestimmungen zur Anwendung kom-men. Im privatwirtschaftlichen Bereich werden die Rechtsnor-men aus dem Versteigerungsrecht (insbesondere Art. 230 OR) analog angewendet, um unlautere Submissionsabsprachen zu verhindern. "Wenn in rechtswidriger oder gegen die guten Sitten verstossender Weise auf den Erfolg der Versteigerung eingewirkt worden ist, so kann diese innert einer Frist von zehn Tagen von jedermann, der ein Interesse hat, angefochten wer-den", lautet Art. 230 Abs.1 OR.

Auf das Wettbewerbsverfahren kommt eine Sonderbestim-mung im Obligationenrecht zur Anwendung: "Wer durch Preis-ausschreiben oder Auslobung für eine Leistung eine Belohnung aussetzt, hat diese seiner Auskündigung gemäss zu entrichten. Tritt er zurück, bevor die Leistung erfolgt ist, so hat er denjenigen, die auf Grund der Auskündigung in guten Treuen Aufwendungen gemacht haben, hiefür bis höchstens zum Betrag der ausgesetzten Belohnung Ersatz zu leisten, sofern er nicht beweist, dass ihnen die Leistung doch nicht gelungen wäre" (Art.8 OR).

Verhandlung, Submission und Wettbewerb
Auf Vertragsverhandlungen auf der Basis einfacher Offerten kommen die allgemeinen Bestimmungen des Obligationenrechts (Art. 1 ff. OR) zur Anwendung.

Das gewöhnliche Submissions-Offertwesen ist im Gesetz nicht ausdrücklich geregelt. Auf Submissionsverfahren der öffentlichen Hand können auch im Werbebereich die öffentlich-rechtlichen Submissionsbestimmungen zur Anwendung kommen. Im privatwirtschaftlichen Bereich werden die Rechtsnormen aus dem Versteigerungsrecht (insbesondere Art. 230 OR) analog angewendet, um unlautere Submissionsabsprachen zu verhindern. "Wenn in rechtswidriger oder gegen die guten Sitten verstossender Weise auf den Erfolg der Versteigerung eingewirkt worden ist, so kann diese innert einer Frist von zehn Tagen von jedermann, der ein Interesse hat, angefochten werden", lautet Art. 230 Abs.1 OR.

Auf das Wettbewerbsverfahren kommt eine Sonderbestimmung im Obligationenrecht zur Anwendung: "Wer durch Preisausschreiben oder Auslobung für eine Leistung eine Belohnung aussetzt, hat diese seiner Auskündigung gemäss zu entrichten. Tritt er zurück, bevor die Leistung erfolgt ist, so hat er denjenigen, die auf Grund der Auskündigung in guten Treuen Aufwendungen gemacht haben, hiefür bis höchstens zum Betrag der ausgesetzten Belohnung Ersatz zu leisten, sofern er nicht beweist, dass ihnen die Leistung doch nicht gelungen wäre" (Art.8 OR).

 

von Dr. iur. Bruno Glaus


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