Die Haftungsfallstricke für Werbetreibende werden engmaschiger. Verantwortlich dafür ist das Bundesgericht. In den Arbeitsgrundsätzen von BSW und ASW fehlt indes noch immer eine Beschränkung der Haftung.
Mit dem Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) vom 19. Dezember 1986 ist der unverfälschte und lautere Wettbewerb über die Regeln des Obligationenrechts hinaus verstärkt worden. Danach ist unlauter, "jedes täuschende oder in anderer Weise gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstossende Verhalten oder Geschäftsgebaren, welches das Verhältnis zwischen Mitbewerbern oder zwischen Anbietern oder Abnehmern beeinflusst" (Art.2 UWG).
Unzulässig sind Werbetexte, die Erwartungen wecken, welche dem realen Angebot bei weitem nicht entsprechen (BGE 90 IV 109, SMI 1989, 160) oder besonders aggressive Werbetexte oder — Methoden. Mit dem sogenannten "Swissair-Entscheid" vom 15. November 1994 (BGE 120 II 331ff.) verschärfte das Bundesgericht die Haftungsvoraussetzungen.
Der Swissair-Entscheid
Die Swissair-Beteiligungen AG gründete im Jahr 1987 eine Tochtergesellschaft (IGR Holding AG). Diese bot gegen Vorauszahlungen Luxusferien in der Nähe von Golfplätzen an. Die Werbeunterlagen waren im Wissen und mit Einverständnis der Swissair-Beteiligungen AG gestaltet worden und nahmen auf die Muttergesellschaft ausdrücklich Bezug: "Überall wo International Golf and Country Residence steht, steht Swissair darunter. Und selbstverständlich auch dahinter. Denn die IGR ist zwar ein selbständiges Unternehmen der Swissair-Beteiligungen AG, arbeitet aber nach den gleichen unternehmerischen Maximen wie ihre Mutter. Dass sich das von Anfang an auf die Internationalität, die Gastfreundschaft, die Betreuung und die Zuverlässigkeit von IGR auswirkt, liegt auf der Hand".
Haftung für gewecktes Vertrauen
Trotz dieser vielsprechenden Werbung ging die IGR bald einmal Konkurs. Ein geschädigtes Unternehmen, welches insgesamt mehr als Fr. 90'000.- als Mitvorauszahlung für ein 40-jähriges Mietbenützungsrecht luxuriöser Hotels geleistet hatte, klagte gegen die Muttergesellschaft, die Swissair-Beteiligungen AG. Das Bundesgericht schützte die Klage der Geschädigten und bejahte eine Haftung aus "erwecktem" Konzern-Vertrauen.
"Nötige Warnung an die Werbetexter"
Das Bundesgericht hielt in diesem Entscheid folgendes fest: "Auch Werbeaussagen können berechtigte Erwartungen wecken und damit haftungsrechtliche Bedeutung erlangen". Unter Umständen haftet somit ein Unternehmen auch bei Fehlen einer vertraglichen Grundlage oder ohne deliktisches Verhalten. Das Urteil wurde als "angebrachte und nötige Warnung an die Werbetexter, dass sie nicht ins Blaue schreiben" bezeichnet (N. Druey, SZW 1995, 96). Es werden damit Loyalitätspflichten im Geschäftsleben ins vorvertragliche Stadium ausgedehnt. Mit der Aufnahme von Vertragsverhandlungen begründen die Vertragsparteien bereits Rechtspflichten (Vergl. dazu Teil 2 der "persönlich-Serie"), wenn sie durch ihr Verhalten Vertrauen begründen. Auch im Produktehaftpflichtrecht kommt dieser Grundsatz zur Anwendung: Wer Vertrauen in ein Produkt schafft, hat für die erweckten Erwartungen einzustehen (Vergl. dazu "persönlich"-Beitrag zur Packungsproblematik im Jahre 1997).
Unvorsichtigkeit verdient keinen Schutz
Nicht jede übertriebende Werbeaussage ist allerdings geeignet, berechtigte Erwartungen zu wecken. Je allgemeiner eine Aussage ist, desto weniger kann sie als ernst gemeinte Zusicherung von bestimmten Eigenschaften und Funktionen verstanden werden. Je präziser indes eine Werbeaussage Eigenschaften eines Produkts hervorhebt, desto eher sind diese Aussagen geeignet, berechtigte Erwartungen aufkommen zu lassen (Fellmann a.a.O. S. 100 mit Literaturverweisen). "Schutz verdient nicht, wer bloss Opfer seiner eigenen Unvorsichtigkeit und Vertrauensseligkeit oder der Verwirklichung allgemeiner Geschäftsrisiken wird(..), sondern nur, wessen berechtigtes Vertrauen missbraucht wird" (BGE 120 II 336).
Haftung für Kostenüberschreitung
Bei der Realisierung von Werbe- und PR-Aufträgen kommt es ab und zu vor, dass die Agentur für Fehler in der Produktion (z.B. Druckereien) verantwortlich gemacht werden. Es wird ihnen mangelhafte Planung, ungenügende Koordination, lückenhafte Weisungen oder ungenügende Überwachung vorgeworfen.
Es kollidiert in diesen Fällen die werkvertragliche Mängelhaftung des Produzenten (z.B. der Druckerei) mit der Vertragshaftung der Werbeagentur, welche beratend und vermittelnd für die Bestellerin (Werbeauftraggeberin) tätig ist. Die Stellung der Agentur ist mit jener eines Bauleiters vergleichbar. Der Auftrag besteht nicht in der körperlichen Herstellung des Werkes, sondern im Management des Gesamten. Der Gesamtvertrag beinhaltet oft die Konzeption, die Planung, ein Teil der Realisation und die Leitung und Koordination der Ausführung. Rechtlich handelt es sich nach der neueren (von einem Teil der Wissenschaft kritisierten) Rechtsprechung des Bundesgerichts aus dem Jahre 1988 (BGE 114 II 56) um ein gemischtes Vertragsverhältnis mit Elementen des Werkvertrags und des Auftrags (Vergl. dazu Gauch, Der Werkvertrag, Zürich 1996 Rz 58ff.). Ein gemischtes Vertragsverhältnis liegt jedenfalls dann vor, wenn die Agentur auch selbst gestalterische Leistungen erbringt (d.h. Werke selbst herstellt).
Wenn nur einzelne Leistungen der Agentur zu beurteilen sind, kann die Haftung für einen Fehler in der Konzeption oder im Realisierungsplan aus Werkvertrag abgeleitet werden, die Haftung für unsorgfältige Koordination oder Überwachung bei der Realisation der Massnahmen aber aus Auftragsrecht. Die Unterscheidung ist deshalb von Bedeutung, weil der Werbeauftraggeber nach Werkvertragsrecht einer strengen Prüfungs- und Rügeordnung unterstellt ist (Art. 367 / 370 OR).
Nach Auftragsrecht beurteilt sich die Haftung der Agentur für die Genauigkeit des Kostenvoranschlags (BGE 119 II 251): Bei Kostenüberschreitung wegen Mehrleistungen haftet die Agentur wie ein Architekt bei Verschulden für den entstandenen "Vertrauensschaden". Dieser Schaden errechnet sich aus der Differenz zwischen den effektiven Erstellungskosten und dem subjektiven Wert des Werks für die Bestellerin (Siehe Kasten: Werbeberater haftet wie Architekt).
Werbeberater haftet wie Architekt
Das Bundesgericht hat im Zusammenhang mit einem für Kostenüberschreitungen verantwortlichen Architekten (BGE 119 II 251) Grundsätze entwickelt, die auch für Werbeberater von Bedeutung sind:
Nach Art. 398 Abs. 2 OR, welche Bestimmung auf das vorliegende Vertragsverhältnis anzuwenden ist, haftet der Beauftragte dem Auftraggeber für getreue und sorgfältige Ausführung des ihm übertragenen Geschäfts. Er hat zum Nutzen und nicht zum Schaden des Auftraggebers zu handeln. Namentlich hat der beauftragte Architekt (Werbeberater) einen Kostenvoranschlag sorgfältig zu erstellen und die Kosten ständig daraufhin zu überprüfen, ob sie sich im Rahmen des Voranschlags halten (BGE 108 II 198 E. a mit Hinweisen).
Bei Überschreitung des Kostenvoranschlags ist zwischen der Haftung für verursachte Zusatzkosten und jener für Kostenüberschreitung bei den budgetierten Positionen zu unterscheiden. Die Ungenauigkeit des Voranschlags kann sich ergeben aus dem Nichtberücksichtigen von Einzelleistungen, aus einem Rechnungsfehler, aus falschen Annahmen bei der Festlegung der Leistungsmengen, des Umfangs von Regiearbeiten oder der erwarteten Preise. Ein ungenauer Kostenvoranschlag stellt eine unrichtige Auskunft der beratenden Fachperson über die zu erwartenden Kosten dar - wobei dem Fachberater nach Bundesgericht "mit Rücksicht auf die damit verbundenen Unsicherheiten eine Toleranzgrenze zugebilligt wird". Bei Überschreitung dieser Toleranzgrenze (Faustregel: 10%) liegt eine Schlechterfüllung des Vertrags vor, wofür der Architekt und der Werbeberater bei Verschulden haftet. Die Haftung beschränkt sich auf den Ersatz des ´Vertrauensschadensª, der dem Besteller daraus erwächst, dass er auf die Richtigkeit des Kostenvoranschlags vertraut und dementsprechend seine Dispositionen getroffenen hat.
Bei der Ermittlung des Schadens kann nicht auf den Mehrwert der Baute (oder der Werbemittel), den diese durch die Kostenüberschreitung erfahren haben, abgestellt werden. Die Anrechnung des vollen Mehrwerts würde eine Benachteiligung des Bauherrn bedeuten, soweit dieser den Mehrwert nicht gewollt hat. Es kann für die Schadensberechnung infolgedessen nicht einfach die objektive Wertsteigerung in Anschlag gebracht werden, sondern es ist von einem subjektiven Wert auszugehen. Der Schaden ergibt sich aus der Differenz zwischen den effektiven Erstellungskosten und dem subjektiven Wert des Werks (der Werbung) für den Werbeauftraggeber. Er stellt die vertragsbezogene Verschlechterung der Vermögenslage des Bauherrn dar. Zur Berechnung des Schadens ist dabei immer von der Vertragsgrundlage auszugehen. Der Werbeberater haftet indessen wie der Architekt nicht für Mehrkosten bedingt durch Unvorhersehbares.
(Anmerkung: Textvorlage des Bundesgerichts redigiert und auf die Werbeberatungsproblematik bezogen).
von Dr. iur. Bruno Glaus