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Inspiration ja, Schmarotzertum nein!

Nicht nur Muster, Modelle und Marken sind geschützt, auch Werbekampagnen dürfen nicht beliebig nachgeahmt werden. Werber, die sich schmarotzerisch an den Werbeauftritt eines Konkurrenten anlehnen, handeln unlauter im Sinne des UWG (Teil 2 der "Persönlich-Serie).

Die wichtigsten Leitplanken zur Lauterkeit in der Werbung und im Design haben die Werber den folgenden Firmen und Produkten zu verdanken: Lego-Spielwaren AG und Suchard-Tobler AG, Nivea und Migros sowie dem berühmten Rubik-Würfel. Was das Bundesgericht zur Ausstattung von Produkten festhielt, gilt auch für ganze Werbekampagnen und einzelne Werbegeschenke.

Fall-Beispiel 1: Suchard hatte in den 80er Jahren Erfrischungspastillen "Ipso" in Plastik-Schachteln auf den Markt gebracht, welche wie Lego-Bausteine zusammengesteckt werden konnten. Das sei zulässig, urteilte das Bundesgericht. Von einer Verwechslungsgefahr und unlauterem Wettbewerb könne "im Ernst nicht die Rede" sein.

Wörtlich heisst es im Entscheid: "Die Ipso-Packungen sind vom kaufenden Publikum schon bei oberflächlicher Betrachtung als Schachteln erkennbar, in denen, wie aus den aufgeklebten Etiketten erhellt, Erfrischungspastillen der Marke ipso feilgehalten werden. Als Schachteln unterscheiden sie sich deutlich von Lego-Steinen (...) Aus den Etiketten ergibt sich ferner, wer die Pastillen herstellt und wer sie in der Schweiz vertreibt. Damit wird einem Irrtum über die Herkunft von Ware und Verpackung vorgebeugt".

Sklavische Nachahmung verboten
Das Bundesgericht hat folgende Grundsätze zur Nachahmung von Ausstattung und Werbung entwickelt: Man darf aus fremder Mühe, Arbeit und Werbung Nutzen ziehen, wenn man auf andere Weise verhindert, dass der Eindruck entstehen könnte, es handle sich um das gleiche Produkt. Verboten ist lediglich die schmarotzerische Ausbeutung, die sklavische Nachahmung, mit dem einzigen Motiv, vom guten Ruf eines andern Unternehmens profitieren zu können. Und verboten ist die Verletzung von Patent-, Muster-, Modell- und Markenrechten (dazu Teil 1 in "Persönlich" vom Juni 1998).

Schmarotzerische Anlehnung
Fallbeispiel 2: Als schmarotzerische Ausbeutung qualifizierte das Bundesgericht die "sklavische" Nachahmung des berühmten Rubik-Würfels. Anfangs der 80er Jahre brachte die Firma Pinguin Neuheitenvertrieb einen Zauberwürfel auf den Markt, welcher bis ins letzte Detail identisch war mit dem berühmten Rubik-Würfel, welcher in der Schweiz durch den Generalvertreter Israel Rosengarten vertrieben wurde. Benannt und bekanntgeworden war dieser Würfel nach dem ungarischen Erfinder Rubik (Siehe Kasten). In der Schweiz war der Würfel patent- und modellrechtlich nicht geschützt worden.

Ausbeutung des guten Rufs
Das Bundesgericht hielt fest, die Form einer Ware dürfe grundsätzlich nachgemacht werden, wenn sie nicht oder wegen Ablauf der Schutzdauer nicht mehr unter den Schutz des Muster- und Modellgesetzes (MMG) stehe. Die freie Verfügbarkeit gelte in einem besonderen Mass für standardisierte Formate sowie Grundfarben und einfache geometrische Figuren oder Körper. Da sich aber der Würfel des Pinguin Neuheitenvertriebs farblich derart sklavisch an das Originalprodukt anlehne, sei die Nachahmung unlauter (Illustration A und B). Der Kopie liege einzig und allein das Motiv zugrunde, "vom guten Ruf des Ersterzeugnisses ebenfalls profitieren zu können" (BGE 108 II 77).

Das Mosaik entscheidet
Ein systematisches und damit unlauteres Vorgehen liegt nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung vor, wenn der Nachahmer "eine Reihe von Einzelheiten nachahmt, wodurch bei mosaikartiger Gesamtbetrachtung eine Verwechslungsgefahr entsteht" (BGE 116 II 370). Entscheidend ist, ob das Publikum Gefahr läuft, die "schmarotzerische" Werbung mit derjenigen eines andern Unternehmen zu verwechseln. Nach der Gerichtspraxis ist nicht der gleichzeitige Vergleich, sondern das Erinnerungsbild massgebend. Unlauterer Wettbewerb setzt weder bösen Glauben noch Verschulden, sondern bloss ein objektiv gegen Treu und Glauben verstossendes Verhalten voraus.

Name vor Farbe
Fall-Beispiel 3: Getreu diesen Grundsätzen erachtete das Bundesgericht die "JANA-Beauty"-Produkte (Reinigungsmilch und Gesichtstonic) der Migros als unproblematisch. Es wies eine Klage der Nivea-Herstellerin Beiersdorf wegen unlauterer Nachahmung der Ausstattung und des Werbeauftritts von "Nivea-visage" ab. Begründung: Keine Verwechslungsgefahr beim Konsumenten. Zu unterschiedlich sei die Flaschenform, zu unterschiedlich die Wort- und Bildmarken. Einzig die Farben (weiss für Reinigungsmilch und rosa für Gesichtstonic) seien identisch, das allein sei aber nicht ausschlaggebend: "Bei Konsumgütern des täglichen Bedarfs kommt vorab der Namensangabe besonderes Gewicht zu", schrieb das Bundesgericht; das gelte für Kosmetika ebenso wie für Schokoladen.

Eraubtes Nachmachen
Weil nicht alles verboten ist, was einem andern Produkt gleicht, hatte sich die Bata Schuh AG erfolglos dagegen gewehrt, dass die Minerva Schuhfabrik AG in Porrentruy auf dem Markt ein dem Bata-Panda-Schuh ähnliches Produkt (mit weichem Pelzkragen) anbot. Das Bundesgericht hielt folgendes fest: Wenn die Form einer Ware nicht muster-, modell- oder markenrechtlich geschützt ist, darf sie grundsätzlich auch aus ästhetischen Gründen nachgeahmt werden: "Jedermann darf seiner Ware jene Form geben, die sie am gefälligsten und damit am besten verkäuflich macht. Anders verhält es sich insbesondere, wenn eine Ware eine bestimmte Form oder Ausstattung nur deshalb erhalten hat, damit sie von gleichen oder ähnlichen Erzeugnissen anderen Ursprungs unterschieden werden könne. Unter dieser Voraussetzung ist die Form nicht ästhetisch bedingt, sondern bloss äussere Zutat zur Kennzeichnung der Ware und darf daher von andern Herstellern nicht nachgemacht werden" (BGE 108 II 324).

Werbegeschenke und Kampagnen
Diese Grundsätze gelten auch für ganze Werbekampagnen. Durchaus erlaubt ist es, sich von guten Werbekampagnen inspirieren zu lassen. Einzelne Elemente der Kampagne (z.B. Werbegeschenke) können aber mit dem Sonderschutz anderer Produkte kollidieren (z.B. mit dem Muster- und Modellschutz, Urheberrecht). Sie können aber auch deshalb unzulässig sein, weil sie sich an ein anderes Produkt anlehnen, um vom guten Ruf einer andern Kampagne oder eines andern Produkts zu profitieren. So muss ein Werbegeschenk eines Holiday Inn, welches sich sklavisch an eine Praliné-Packung der Glarner Confiserie Läderach anlehnt, als unlauter bezeichnet werden. In concreto allerdings hat es Läderach mit einem Problem der Rechtdurchsetzung zu tun: Es handelt sich um das Holiday Inn in Peking. 

Der Rubik-Würfel
Der Körper des Spielzeugs setzt sich aus 26 kleinen Kunststoffwürfeln zusammen, die in drei Schichten (9 + 8 +9) aneinandergereiht sind und leicht abgerundete, schwarze Kanten haben. Mittels einer inneren Vorrichtung, welche zugleich alle Teile zusammenhält, können die kleinen Würfel schichtenweise waagrecht oder senkrecht um eine der drei Achsen des Körpers gedreht werden. Das Spiel besteht darin, die kleinen Würfel so zu ordnen, dass sich wieder sechs Seitenfelder mit gleichfarbigen Quadraten ergeben.

Die Erfindung dieses Würfels war in Ungarn, nicht aber in der Schweiz zu Patent angemeldet worden. Nach dem grossen Erfolg wurde die Erfindung im Ausland mehrfach nachgeahmt. Wäre die Technik (Illustration D) auch in der Schweiz (und andern europäischen Ländern) patentiert worden, hätte der ungarische Patentinhaber - ungeachtet von Farbgebung und Design - alle Ausführungen verbieten können. So hingegen konnte er sich in der Schweiz nur auf das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) stützen. Dieses verbietet nur die sklavische Nachahmung, weshalb der schweizerische Generalimporteur sich nicht gegen die Nachahmung im Design C hat zur Wehr setzen können. Erfolgreich aber klagte Israel Rosental gegen die sklavische Nachahmung des Würfels A in Würfel B.

 

 

von Dr. iur. Bruno Glaus

 


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