Das “Dada-Haus” wirbt mit “Dada-Supreme” und thematisiert damit Markenpiraterie in und über die Dritte Welt und die Veredelung am Subjekt. Doch “Dada-Supreme” ist eine registrierte Marke einer deutschen Markeninhaberin. Im Werbekontext, somit als reiner Kommerz, wäre die Kampagne widerrechtliche Markenpiraterie. Im “Dada-Haus” aber ist die Kampagne Teil eines Kunstprojekts. Dürfen Künstler mehr als Werber? Diese Frage stellt sich in der rechtlichen und kunsttheoretischen Auseinandersetzung, welche das Cabaret Voltaire mit der deutschen Markeninhaberin führt.
Dadaismus – “das Narrenspiel aus dem Nichts, in das alle höheren Fragen verwickelt sind, bleibt als Geisteshaltung bis heute virulent; als Kunstrichtung ist es nicht fassbar”, schreibt das Cabaret Voltaire im Selbstporträt unter www.cabaretvoltaire.ch. Die derzeitige Ausstellung scheint den Verantwortlichen recht zu geben: “Dada, so anziehend wie noch nie?”, titelte der “Tagesanzeiger” am 09.03.2006. Und die NZZ gab noch einen drauf: Das “Dada-Haus” in Zürich, das Cabaret Voltaire, habe sich endlich ins richtige Milieu katapultiert: “In die Arme des Kommerz”, schrieb die NZZ wenige Tage später.
Das Label Dada war 1916 gegründet worden, vermarktet sich selbst in dem es die späteren “Rufausbeuter” auf seine Art wieder ausbeutet und so letztlich wieder zu den Wurzeln zurück führt. Im Klartext: Eine deutsche Ifemy‘s Distribution GmbH in München hat die Marken “Damani-Dada” und “Dada Supreme” registriert, Kennzeichen, die klar und unmissverständlich auf das 1916 in Zürich gegründete Label zurückführen.
Nun wird an dieser Brutstätte im Zürcher Niederdorf die Selbstvermarktung ad absurdum geführt. Das Projekt basiert auf folgender Anlage (Zitat aus dem Tages-Anzeiger vom 09.03.2006): “Man nehme ein afroamerikanisches Hiphop-Fashionlabel namens “Dada Supreme”, lasse dessen Leibchen in Afrika reproduzieren (“faken”), von einem “echten” Togoer tragen und dokumentiere dies mit einem Foto. Erwerben kann man die zu “Edel-Vintage-Shirts” aufgemotzten Stoffe dann im pittoresk auf afrikanisch gestylten Shop zu 95 Franken (Produktion 11.50 Franken). Was das mit Kunst zu tun hat? Mehr, als einem lieb sein kann. Schon die Zürcher Ur-Dadaisten beriefen sich auf ein ursprüngliches Afrika als probates Mittel, dem verachteten Bürgertum etwas entgegenzusetzen. Dazu integrierten sie als wild, irrational und primitiv umgedeutete Versatzstücke afrikanischer Kultur erfolgreich in ihre eigenen Produktionen”.
Rechtliche Würdigung
Ist das Ganze legal? Oder Markenpiraterie? So wie sie von den Piraten rund um die Sportclubs mit Leibchen, Schals und Mützen betrieben wird? Die Antwort auf diese Frage kann - an dieser Stelle - nicht abschliessend erfolgen. Die Anwälte sind sich nicht einig. Der Schreibende, Vertreter von Cabaret Voltaire, argumentiert wie folgt:
Nicht gesperrt sind auf Grund des Markenrechts all diejenigen Sachverhalte, in welchen eine Marke nicht kennzeichnungsmässig eingesetzt wird. Die Verwendung von gekauften “Dada-Supreme”-Shirts wäre ohne Zweifel zulässig. Die Rechte der deutschen Markeninhaber wären dann durch den Verkauf der Shirts erschöpft. Der Käufer kann damit tun und lassen, was er will. Posiert ein Dressman vor einem Rolls Royce, so wird in der Literatur argumentiert, ist keine Markenverletzung zu rügen, auch wenn das Posieren dem Markeninhaber vielleicht lästig ist. Ebenfalls zulässig wäre nach Lehrmeinungen die besondere Form der vergleichenden Werbung, z.B. für eine Zeitschrift, welche im Inseratenteil wirbt “Liebe Ovomaltine, warum versuchst Du es nicht mit einem Inserat bei mir”. Nur: Beim Dada-Projekt von Cabaret-Voltaire geht es um mehr als um die Verwertung und Veredelung von gekauften Produkten. Die “Supreme”-Shirts wurden imitiert – neu produziert, in Näh-Ateliers in Afrika.
Reproduktion verboten?
Grundsätzlich ist die kommerzielle Reproduktion von markenrechtlich gekennzeichneten und geschützten Produkten verboten. Mit den Urheber- und Markenrechtsverletzungen verhält es sich aber, wie mit den Persönlichkeitsverletzungen: Nicht jede Verletzung ist auch widerrechtlich und mithin unzulässig. Vielmehr kann ein rechtfertigendes Momentum die Widerrechtlichkeit der Verletzung aufheben, so kann ein “Eingriff” oder “Angriff” durch Kunstschaffende unter bestimmten Voraussetzungen rechtmässig, weil nicht widerrechtlich, sein. Grundvoraussetzung dafür ist ein überwiegendes Informations- oder Kunstinteresse. Der Eingriff muss dann aber soweit als möglich erkennbar sein, oder jedenfalls im Konzept als begrenzter “Laborversuch” deklariert werden. Zweck kann beispielsweise eine Untersuchung oder eine Übersteigerung bzw. Weiterführung eines in Gang gesetzten Prozesses sein. Die zum Zweck eingesetzten Mittel müssen notwendig, verhältnismässig und zumutbar sein. (Vgl. dazu www.glaus.com, kunstrechtliche Publikationen: “Was ist Kunst, was darf Kunst, wem gehört Kunst?”)
Vorrechte von Cabaret Voltaire als geistige Erbin?
Die Cabaret-Voltaire-Verantwortlichen werden aber auch geltend machen, es - das Cabaret - gebrauche bei diesem Kunstprojekt ein “vorbenutztes Zeichen”. Der Inhaber einer Marke kann einem anderem, welcher einen Begriff schon vor der Hinterlegung gebraucht hat, nicht verbieten, dass gebrauchte Zeichen in bisherigem Umfang weiter zu gebrauchen. Das Gesetz schützt so die “kleinen Markenbenützer”, welche ihre Zeichen oft nicht oder zu spät registrieren. Es betrifft dies nicht nur die Zeichen im Wirtschaftsverkehr oder die kennzeichnungsmässige Vorbenutzung, sondern jegliche sachliche Nutzung eines Begriffs im gesellschaftlichen Leben. Das Prioritätsrecht schütz allerdings nur die Weiterbenutzung im “bisherigen Umfang” (Marbach, SIWR III Kennzeichenrecht S. 206).
von Dr. iur. Bruno Glaus