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Die Spaltung von Werken aus rechtlicher Sicht

Die Rückseiten von Gemälden und Aquarellen sind bisweilen bemalt, zum Teil handelt es sich um voll ausgefertigte Werke, z.T. um Etuden, Skizzen, Verworfenes, Gestrichenes, Übermaltes. Anders als bei Leinwänden kann das Material Karton offensichtlich problemlos in zwei Schichten getrennt werden – und aus einem Bild mit bemalter Vorder- und Rückseite werden zwei Bilder mit bemalter Vorderseite und unbemalter Rückseite. Aus eins wird zwei.

Dem Alexej von Jawlensky – Archiv ist vor einiger Zeit die mit feiner Klinge abgetrennte Rückseite eines Oelgemäldes zur Begutachtung eingereicht worden. Die Rückseite war freigelegt worden und es kam das Fragment eines ursprünglich grösseren Werkes hervor. Das mit Pinselstrichen übermalte Werk auf der Rückseite war von einem Restaurator in den ursprünglichen Zustand zurückversetzt worden. Ein neues Bild kam auf den Markt. Die Rückseite war vom früheren Eigentümer ohne Einwilligung der Rechtsnachfolger Jawlenskys abgetrennt, restauriert, gerahmt und verkauft worden.

Es stellen sich bei dieser Ausgangslage eine Reihe von urheber- und urheberpersönlichkeitsrechtlichen Fragen, von der Frage der Zulässigkeit der physischen Spaltung bis hin zur Frage, ob die Käufer der abgetrennten und restaurierten Rückseite Anspruch auf Aufnahme in den Catalogue raisonné, ins Werkverzeichnis, haben oder zumindest Anspruch auf eine Erklärung des Archivs, dass die Rückseite dem Künstler zugeschrieben wird? Diese Fragestellung aufzuzeigen lohnt sich einerseits, weil Rückseiten von Bildern nicht selten ebenfalls bemalt sind und weil in der konzeptionell angelegten Kunst konzeptionelle „Spaltungsaspekte“ an Bedeutung gewinnen. An dieser Stelle steht indes die materielle (physische) Abspaltung im Zentrum. Dazu einige Beispiele:


• Für die Schweizerische Verkehrszentrale im Rockefeller-Center in New York durfte der 1987 verstorbene Schweizer Kunstschlosser Louis Thum, ein virtuoser Traditionalist, in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts eine Auftragsarbeit ausführen. Auf dem schmiedeisernen Werbeschild mit einem Schweizer Kreuz (vergleichbar einem Gasthausschild) bläst ein aus Eisen getriebener Alphornbläser sein Instrument. Der für urbane Verhältnisse eher ungewohnte Schmuck wurde später wieder demontiert und in die Schweiz zurückgeführt, wo er – aus nie vollständig geklärten Gründen – in zwei Teile gespalten und durch verschiedene Hände weitergereicht wurde. Das Werbeschild mit dem Schweizer Kreuz schmückt heute das alte Gemeindehaus von Thums Heimatgemeinde Benken (SG). Der Alphorn-Bläser fristet ein einsames Dasein in der Stube eines begeisterten Sammlers.

• Der Bauhausmeister Oskar Schlemmer (1888-1943) hatte 1940 in einem Privathaus eine Auftragsarbeit gemalt , ein Wandbild in der Grösse 2.55 x 4.15m mit dem Titel „Familie“. Die Eigentümer wollten im Jahre 1995 das Haus abbrechen, das Bild aber vorher von der Wand abtragen (herausfräsen) und auf einem Aluminiumgerüst stabilisieren. Die Vorderseite wurde mit einer Latex-Schicht geschützt, um Risse im Putz zu verhindern. Das Bild sollte in einer Galerie ausgestellt werden - das Beispiel findet sich in der deutschen „Fallsammlung zum Urheberrecht“:.

• Spaltungsversuche gibt es häufig auch bei Konzept- und Medienkunstprojekten welche Kunst-und-Bau-Elemente enthalten: Eine rechtsbürgerlich angeführte Opposition in der Gemeinde Romanshorn wollte die MocMoc-Statue, welche Teil eines Gestaltungskonzepts in und um den Bahnhof war (Platz- und Unterführungsgestaltung), in die Kinder-Badi umplatzieren . Um ähnliche Aspekte ging es auch im sogenannten „Klingenhof-Streit“, bei welchem sich Anwohner und Architekt René Haubensak erfolgreich gegen „Anpassungen“ der Spielruine des Architekten wehrten.

• Auch Künstler selbst spalten bisweilen ihre Werke. Bekanntestes Beispiel ist „Reichshoffen“ von Edouard Manet (Siehe dazu auch den Beitrag von Peter Studer). Es ist erwiesen, dass der Künstler nach diversen Eingriffen an einer grossen Komposition die Leinwand zerschnitt und die Formate änderte, bis schliesslich die beiden Werke entstanden, die wir heute unter den Titeln „Au Café“ und „Coin de café-concert“ kennen.

Was der Künstler Manet darf, dürfen unter Umständen seine Käufer nicht. Eigentümer von Kunstwerken müssen die Integrität des Werkes erhalten. Sie dürfen ohne Einwilligung des Künstlers oder seiner Erben keinerlei Veränderungen am Werk vornehmen. Aus einem Wandbild kann kein Tafelbild werden, die Erben Schlemmers konnten deshalb gestützt auf das Deutsche Recht die Ausstellung des Werkes verhindern. Auch nach schweizerischem Recht hätten sich die Erben zur Wehr setzen können, denn Urheberpersönlichkeitsrechte sind vererblich . Art. 11 Abs. 2 verweist nicht auf Art. 31 ZGB, welcher festhält, die Persönlichkeit ende mit dem Tod und deshalb kommt auch die von einer Mehrheit der Lehrmeinungen kritisierte Bundesgerichtspraxis nicht zur Anwendung, welche sich bisher konstant gegen einen allgemeinen postmortalen Persönlichkeitsschutz aussprach, allerdings nie in einem urheberpersönlichkeitsrechtlichen Kontext.

Die Garantie der Werkintegrität ist Teil des Urheberpersönlichkeitsrechts. Wer ein Kunstwerk erworben hat, darf damit nicht machen, was er will, er darf das Werk zwar weiterverkaufen, vermieten, ausstellen, ausleihen. Verändern darf der Eigentümer nicht. Die Urheberpersönlichkeitsrechte des Künstlers wirken nachhaltig über den Kaufakt hinaus. Jede Veränderung des Werkes ist rechtswidrig; auf das Ausmass dieser Veränderung kommt es nicht an . Die Eigentumsfreiheit des Kunstkäufers wird begrenzt durch den Schutz des Urhebers in Art. 11 URG:

„Der Urheber oder die Urheberin hat das ausschliessliche Recht zu bestimmen, ob, wann und wie das Werk geändert werden darf. (- )
„Selbst wenn eine Drittperson vertraglich oder gesetzlich befugt ist, das Werk zu ändern oder es zur Schaffung eines Werkes zweiter Hand zu verwenden, kann sich der Urheber oder die Urheberin jeder Entstellung des Werkes widersetzen, die ihn oder sie in seiner Persönlichkeit verletzt“.

Geschützt ist allerdings nicht die Integrität des Gegenstand als solcher, sondern das im oder auf dem Gegenstand verkörperte künstlerische Werk. Verfall und die Zerstörung kann nur innerhalb der engen Grenzen des Gesetzes verhindert werden, der Verfall unter Aspekten der Entstellung (Art. 11 Abs.2 URG); die Zerstörung setzt vorgängiges Anbieten des Werkes an den Urheber voraus (Art. 15 URG). Das Urheberpersönlichkeitsrecht schützt die ideellen Interessen des Urhebers. Nach deutschem Recht ist deshalb in drei Schritten zu prüfen, ob eine Beeinträchtigung der künstlerischen Idee, eine Interessengefährdung für den Künstler und ein schützenswertes Interesse des Eingreifenden vorliegen . Das Trennen einer Rückseite ohne Beeinträchtigung der Vorderseite ist unter diesen Gesichtspunkten nicht generell unzulässig.

Problematisch wird die Abspaltung dort, wo eine übermalte Rückseite abgespalten und „restauriert“ wird. Wenn Grund zur Annahme besteht, dass sich der Künstler mit dem Übermalen der Rückseite vom rückseitigen Werk distanziert hat, wird durch die Instandstellung sein Urheberpersönlichkeitsrecht verletzt. Im Einzelfall wird die Intention des Künstlers nicht immer klar festzustellen sein. Und nicht immer müssen die Eingriffe – das Übermalen – vom Künstler selbst stammen.

 

Anspruch auf Begutachtung?
Hat der Eigentümer der abgespaltenen Rückseite Anspruch darauf, dass sein Werk zertifiziert und in ein Werkverzeichnis aufgenommen wird? Die Zertifizierung und die Aufnahme in ein Werkverzeichnis kann den Marktwert des Werkes entscheidend beeinflussen. Werkverzeichner, Comités oder Zertifizierungsstellen haben nicht selten eine marktbeherrschende Stellung. Diese Stellung darf nicht missbraucht werden . Das Verweigern einer Geschäftsbeziehung – einer Begutachtung – kann unter kartellrechtlichen Gesichtspunkten missbräuchlich sein. Frederike J. Ringe ist indes zuzustimmen, dass nur ein Anspruch auf Prüfung und allenfalls auf einen bestimmten Prüfungsstandard, nicht aber ein bestimmtes Prüfungsergebnis gerichtlich durchgesetzt werden könnte. Berechtigte Zweifel müssten die Begutachter auf jeden Fall formulieren. Und bezüglich Prüfungsstandard nennt die Autorin einige Kriterien:

• Deklaration bzw. Vermeidung von Interessenkonflikten,

• keine unüberprüfte Übernahme von früheren Aussagen und Begutachtungen,

• keine Ferndiagnosen aufgrund von Fotoaufnahmen, sondern ausschliesslich Begutachtung von Originalen, klare Deklaration der Prüfungsebene und Formulierung von Einschränkungen und Vorbehalten,

• allenfalls auch Abmahnung oder gar Ablehnung des Auftrages bei fehlender Kompetenz auf der gewünschten Fachebene.

Das Gegenstück zum Anspruch auf Prüfung einer allfälligen Zuschreibung ist das Recht auf Abschreibung, die Feststellung, dass ein Werk nicht dem Künstler zugeschrieben werden darf (droit de non-paternité ). Ein solcher Rechtsanspruch wird grundsätzlich bejaht mit Verweis auf verschiedene Gerichtsverfahren im Ausland, ungeachtet der Frage, ob sich dieses Recht auf das Urheberrecht oder das Persönlichkeitsrecht des Künstlers und seiner Erben stützen lässt . Die hier vertretene Auffassung ist die folgende: Wenn Künstler sich erkennbar von einem Werk distanziert haben, indem sie es zerrissen, gestrichen oder übermalt haben, steht Ihnen (oder den Rechtsnachfolgern) ein Recht auf Aberkennung bzw. Nicht-Anerkennung, ein droit de non-paternité, zu. Im Fall der abgetrennten und restaurierten Karton-Rückseite haben die Erben zwar keinen Anspruch auf Zerstörung des Werkes, aber einen Rechtsanspruch darauf, den Eigentümern zu verbieten, dass sie das Werk als ein Werk von Jawlensky ausgeben.

Die Rechteinhaber können Ansprüche aus der (unzulässigen) Werkverwertung gegen den Spalter erheben, wenn dieser die übermalte Rückseite „restauriert“. Es stellen sich in diesem Kontext eine Vielzahl weiterer Fragen: Können die Rechteinhaber gegen den (gutgläubigen) Käufer Unterlassungansprüche (z.B.Verbot das Werk in der Öffentlichkeit zu zeigen) stellen? Kann die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes, im Fall von Louis Thum die Rückführung des Alphornbläsers auf das Wirtshausschild, durchgesetzt werden? Im Falle des Alphornbläsers kann die Wiederherstellung der Werkintegrität des Gesamtwerkes nicht durchgesetzt werden, wenn der heutige Eigentümer der Figur den Werkteil gutgläubig und ohne Kenntnis des Gesamtwerkes erworben hat.

 

Vertraglich vereinbartes Bearbeitungsrecht
Vorallem im Bereich der angewandten Kunst wird oft ein Bearbeitungsrecht vereinbart. Auch dort, wo solche Rechte eingeräumt wurden, gilt das Bearbeitungsrecht nicht schrankenlos. Berechtigte dürfen ein Werk nicht entstellen . Eine Entstellung liegt vor, wenn der Substanzeingriff gravierend ist, die Wesenszüge des Werkes nicht mehr erkennbar sind, oder wenn das bearbeitete Erstwerk in einem von Künstler nicht hinzunehmenden Kontext gestellt wird . Entstellung ist jede Verzerrung oder Verfälschung der Wesenszüge eines Werkes . Entstellung kann durch teilweise Übermalung oder Zufügungen , durch Zerteilung einer Einheit , ja selbst durch Umhängung oder Umplatzierung entstehen . So musste eine Kirchgemeinde Figuren des Künstlers Stephan Balkenhol vom Altarraum wieder in den Eingangsbereich zurückstellen, weil der Plastiker die Figuren für diesen Ort geschaffen hatte (zum Nachweis der konzeptionellen Verbundenheit siehe nachfolgend).

 

Privilegien für Hauseigentümer
Privilegiert sind Hauseigentümer bei Werken der Baukunst gemäss Art. 12 Abs. 4 URG:

„Ausgeführte Werke der Baukunst dürfen vom Eigentümer oder von der Eigentümerin geändert werden; vorbehalten bleibt Artikel 11 Abs.2“.

Kunstwerke im öffentlichen Raum und Kunst am Bau fallen nicht in die Kategorie „Werke der Baukunst“ , sondern sind Werke der bildenden Kunst (der Malerei, der Bildhauerei und der Grafik). Für sie ist Art. 11 URG massgebend, das Privileg des Hauseigentümers, das Haus zu verändern, erfasst nicht auch die Kunst am Bau (siehe das vorgenannte Beispiel Schlemmer).

 

Quantitative Spaltung
Wie verhält es sich mit der bloss quantitativen Abspaltung, dort, wo Sammler aus einer mehrteiligen Arbeit Teile verkaufen? Als Beispiel seien Fotoarbeiten angeführt, z.B. dreiteilige Werke von Jules Spinatsch, Temporary Discomfort I, Hotspot No.4, Kurpark Davos (aus der WEF-Trilogie). Darf der Sammler die dreiteilige Arbeit in Einzelstücken verkaufen? Es gibt berühmtere Beispiele: Roy Lichtensteins „Six Bulls“ eine sechsteilige Arbeit, war als Gesamtwerk verkauft worden, Jahre später tauchten einzelne Teile als Einzelwerke an Auktionen auf - ohne dass es zu Klagen kam. Soll denn solches verboten sein? Lag die künstlerische Essenz nur im sechsteiligen Gesamtwerk, oder nicht auch in jedem einzelnen für sich allein? Liegt der ideelle Wert des Werkes (nur) im Gesamtkonzept oder (auch) im einzelnen Teil? Hier darf einem einzelnen Teil die Anerkennung nicht verweigert werden, allenfalls haben Werkverzeichner das Recht, zu vermerken, dass die Einzelarbeit ursprünglich Teil einer mehrteiligen Produktion war.

Veränderungen des Konzept
Bei Skulpturen und Wandarbeiten im öffentlichen Raum ist zu prüfen, wieweit das Kunstwerk aus seiner künstlerischen Konzeption heraus ortsgebunden ist oder nicht. Der Ortsbezug kann formal sein, (wenn Formen, Farben und Materialien mit der Umgebung korrespondieren), oder inhaltlich (wenn sich das Werk auf ein Ereignis bezieht, das am entsprechenden Ort stattgefunden hat). Die Entfernung eines Mahnmals von seinem Bezugsort beeinträchtigt das Urheberpersönlichkeitsrecht der Künstlerin, „wenn das Werk nach seinem Inhalt nur an seinem Aufstellungsort gedacht werden kann“ . Ein Versetzen des Kunstwerkes oder das Amputieren – das Abspalten - eines Teilstückes aus einem Gesamtkonzept kann eine unzulässige Verletzung der Werkintegrität sein. Dies ist vorallem bei Gesamtkunstwerken zu beachten, welche aus Pflanz-, Licht-, Bild- und Filmelementen bestehen und über ganze Gebäude oder Areale verteilt sind. Wer auf einen Teil verzichtet oder diesen nachträglich aus dem Gesamtkonzept herausbricht, indem er beispielsweise den Videoteil im Eingangsbereich, der das Gesamtwerk prägt, „streicht“, entstellt das Gesamtwerk. Bei der MocMoc-Statue wird man den konzept- und ortsspezifischen Bezug bejahen, im Fall von Thums Gasthaus-Schild mit Alphornbläser liegt die Notwendigkeit der Verbindung der beiden Teil zumindest nicht auf der Hand.

Entscheidend ist die „Lesbarkeit“; zumindest Fachkreise sollten das Konzept lesen können. Lesbarkeit setzt einen klar definierten symbolischen Inhalt und zulängliche und zugängliche Information voraus.Die „Botschaft“ muss aufbereitet werden, damit sie der Auftraggeber versteht . Voraussetzung ist ein gemeinsames Verständnis von Ortspezifik, „das den Raum als ein Geflecht von sich überschneidenden Funktionen und Diskursen begreift“.

Auch auf die vertraglichen Abmachungen zwischen Künstler und Käufer ist abzustellen. Ein an sich nicht ortsgebundenes Werk kann ortsgebunden (z.B. für einen Verkehrskreisel) verkauft werden. Längerfristig kann diese vertragliche Abmachung indes nur über eine im Grundbuch verankerte Personaldienstbarkeit sichergestellt werden . Sonst riskiert der Künstler den Verlust der vertraglichen Sicherung, sobald der Erstkäufer das Werk einem gutgläubigen Dritten weiter veräussert. Der Vertragsinhalt ergibt sich oft auch aus den Wettbewerbsunterlagen und Eingaben. Dabei spielen Auffassungen von Kunstexperten zumindest dort eine Rolle, wo sich der Erwerber bei der Beschaffung ebenfalls fachlich beraten liess (was im Fall von MocMoc zutraf). Ein wichtiges Indiz für oder gegen Ortsgebundenheit ist die Entstehungsgeschichte: Wo lediglich ein bereits bestehendes Werk angekauft wird, wird kaum auf ein ortsbezogenes künstlerisches Konzept geschlossen werden können.

Wird die Zustimmung zur Ortsveränderung verweigert, hat der Erwerber nur die Wahl zwischen Zerstörung oder Erhalt bzw. Wiederherstellung am gleichen oder vergleichbaren Standort. Er darf nicht klammheimlich das Kunstwerk zerstören, sondern muss sich vergewissern, dass der Künstler kein Interesse am Werkerhalt haben kann. Der Künstler hat ein Rücknahmerecht, und wo dies nicht möglich ist – wie beispielsweise bei Kunst am Bau – ein Nachbildungsrecht Art.15 URG).

Zusammenfassung und Beurteilung
Ob Spaltungsprozesse – seien es physische Trennungen oder konzeptionelle Veränderungen – zulässig sind, muss im Einzelfall aufgrund der ideellen Interessen des Künstlers am Schutz der Integrität seines Werkes und dem Gefährdungspotential beurteilt werden. Solange die Vorderseite eines Werkes nicht Schaden nimmt, darf eine Rückseite abgetrennt werden, wenn dieses Werk wiederum integral erhalten bleibt. Nicht zulässig ist das Entfernen von Deckfarben, mit welchen ein Künstler sein rückseitiges Werk übermalt hat.

Ein Anspruch auf Prüfung der integral erhaltenen Rückseite kann aufgrund wettbewerbsrechtlicher (kartellrechtlicher) Bestimmungen dann bestehen, wenn eine Prüfungsstelle eine marktbeherrschende Stellung hat. Der Anspruch auf Prüfung schliesst aber keinen Anspruch auf Zuschreibung des abgespaltenen Werkes ein, wenn die Begutachter berechtigte Zweifel anbringen können, dass sich der Künstler von der Rückseite distanziert hat.

 

1 Artur Wandtke/Winfried Bullinger, Fallsammlung zum Urheberrecht, Weinheim 1999, S.106 (zit. Wandtke/Bullinger). Weitere Beispiele bei Heimo Schack, Kunst und Recht, Köln-Berlin-München 2004, S.102ff. (zit. Schack)

2 Bruno Glaus in: Johannes M. Hedinger / Marcus Gossolt (Hrsg), Kunst, öffentlicher Raum, Identität, Mocmoc, das ungeliebte Denkmal, Sulgen/Zürich 2004, S.228.

3 NZZ vom 17.04.2007

4 Malcolm Park in: Manet trifft Manet – geteilt, wiedervereint, Sammlung Oskar Reinhart, Schwabe Verlag, ISBN 3-7965-2202-5, S.69.

5 Jacques de Werra, Stämpflis Handkommentar, URG 16 N 54 m.V.

6 BGE 129 III 719 (Malbuner), Literaturhinweise bei: Bruno Glaus, Der Schutz der Angehörigen in der Medienberichterstattung, medialex 2/07, 65f. Fn 5 und 6.

7 Klaus Ebling / Marcel Schulze, Kunstrecht, München 2007, S.70 (zit. Ebeling/Schulze).

8 Schack N 255

9 Art. 82 EG-Vertrag, Art.7 KG

10 F.J. Ringe in: M.A.Renold, Centre du droit de l’art, Bd. 19, l’expertise et l’authentification des oeuvres d’art, Zürich 2007, S.145 (zit. Band 19)

11 Band 19, S. 145 und Seite 55.

12 Band 19 S. 113

13 Jacques de Werra in Band 19, S.113, Fall Nolde BGHZ 107 S.384, http://web.archive.org/web/20040126150115/http://www.uni-leipzig.de/urheberrecht/ressrc/material/vorles/grur/njw90-1986.pdf

14 Sie dürfen es allerdings – mit Vorbehalten – zerstören. Vergl. dazu Art.15 CH-URG

15 Ebeling/Schulze S.102f. mit Beispielen.

16 Günther Picker, Kunstgegenstände & Antiquitäten, München 2000 (zit.Picker), S.379 mit Verweis auf mehrere Landesgerichts-Entscheide.

17 Sabine Zentek, Handbuch für Recht in Kunst und Design, Stuttgart 1998, S.66: Ein Hauseigentümer liess in einem Treppenhausgemälde die nackten Sirenen „bekleiden“.

18 Zentek S.66.

19 Eine 1956 geschaffene Skulptur von Ödon Koch war für das Planschbecken im Unteren Letten bestimmt. 2002 wurde sie ohne Wissen der Erben an einen anderen Ort verssetzt. Dazu Peter Studer, Wie Zürich mit Kunst im Stadtraum umgeht, in NZZ vom 22. Juli 2005. Allgemein dazu: Christoph Schenker / Michael Hiltbrunner, Kunst und Öffentlichkeit. Kritische Praxis der Kunst im Stadtraum Zürich, Zürich 2007.

20 Picker S.380.

21 Zur Abgrenzung von Werken der Baukunst und Kunst am Bau siehe Werner Stauffacher, Kunst und Bau – die Mühen mit dem Urheberrecht, Schweizer Kunst 1/2004.

22 Wandtke/Bullinger, S.109; illustrative Beispiele dafür auch bei Christophe Ammann in: Walter Grasskamp (hrsg.), Unerwünschte Monumente, München 2000 (zit.Grasskamp), S.122.

23 Mehr dazu bei Hermann Demmel, Artmanagement, Darmstadt 2002, S.41 ff.

24 Beatrice von Bismarck, Verhandlungssachen: Rollen und Praktiken, in: Kunst des Ausstellens, Ostfildern-Ruit 2002, S.235.

25 Dazu Bruno Glaus/Peter Studer, Kunstrecht, Zürich 2003, S.51.

 

von Dr. iur. Bruno Glaus


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