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Abgekupfert: Sieg für Agentur

Eine Werbeagentur muss sich nicht alles klauen lassen: "persönlich" zeigt In einer mehrteiligen Serie auf, wie Werbeagenturen um ihre Rechte kämpften. Fall 1*: Abkupfern eines Mailings mit Folgen.

Im Januar 1995 hatte das Basler Zivilgericht folgenden Sachverhalt zu entscheiden: Ein Basler Hotel beauftragte eine lokale Werbeagentur mit der Kreation und Realisation von Mailings. Der mündliche Auftrag umfasste "das Erarbeiten diverser Werbeslogans und Fotografien zum Einsatz als Mailing" Die Werbeagentur entwarf unter anderem eine Mailing-Postkarte (Format A4) mit folgendem Slogan:

"Es gibt viele Gründe, nach Basel zu kommen."
(Darunter eine Schwarzweissfotografie: Aktenkoffer, Wall Street Journal, Terminplan und Kugelschreiber.)

"Und gute Gründe, sich im Hotel X. zu treffen."
(Darunter eine Schwarzweissfotografie: Hummer, Zitrone und Sektglas.)

Ein Jahr nach dem Mailing, 1993, erstellte das Hotel in eigener Regie Inserate, die Ähnlichkeiten mit dem Mailing aufwiesen. So lautete der Slogan nunmehr:

"Es gibt immer Gründe, nach Basel zu kommen, um sich im Hotel X. zu treffen!"
(Die beiden dazugehörigen Farbfotografien zeigten einerseits einen Aktenkoffer mit diversen Utensilien wie Wall Street Journal, Taschenrechner, Füllfeder, Agenda und Golfball/Tennisball, andererseits einen Hummer mit Zitronen.)

Als diese Inserate in verschiedenen Zeitschriften und Zeitungen publiziert wurden, forderte die Werbeagentur eine Entschädigung. Mit Erfolg, wie der nachstehende Auszug aus dem Entscheid des Basler Gerichts zeigt:

"Werbung urheberrechtlich schützbar"
"Es ist in Lehre und Praxis unbestritten, dass auch im Bereich der Werbung urheberrechtlich schützbare Werke geschaffen werden können. Die Diskussion wird vor allem im Hinblick auf die Werbe-Slogans geführt; es besteht Einigkeit darüber, dass solche Slogans urheberrechtlich schützbar sind, sofern sie einen individuellen Charakter aufweisen (vgl. M. Rehbinder, Schweiz. Urheberrecht, 1993, S. 60; M. Kummer, Das urheberrechtlich schützbare Werk 1968, S. 86/7). Dasselbe muss auch für Werbefotografien gelten. Fotografien sind grundsätzlich urheberrechtlich schützbar, sobald sie individuellen Charakter haben, wobei mit Recht betont wird, dass es sich nicht rechtfertigt, besondere Anforderungen an den künstlerischen Gehalt einer Fotografie zu stellen weil es nicht Sache des Richters ist, über den ästhetischen Wert von Bildern zu urteilen.

"zusammengesetzte Individualität"
Man kann sich die Frage stellen, ob der Text allein bzw. die Fotografien allein als individuelle Leistungen im Sinne des Urheberrechts betrachtet werden. (-) Dazu ist zu bemerken, dass ein Werk oft aus sehr vielen verschiedenen Teilen zusammengesetzt ist, die ihrerseits nicht alle die Voraussetzungen des urheberrechtlichen Schutzes erfüllen müssen (vgl. Art. 2 Abs. 4 URG). Es ist sogar denkbar, dass das Zusammenfügen von ausschliesslich nicht-individuellen Teilen als individuelle Leistung schützbar ist (sog. "zusammengesetzte" Individualität). Die zu beurteilende Karte enthält eine Vielzahl von gestalterischen Elementen. Auch wenn diese teilweise altbekannt sind (-) lässt sich doch bei einer Betrachtung des Ganzen nicht verkennen, dass eine individuelle Gestaltung vorliegt. (-)

"Ansehnliches Honorar"
Würde das Individuelle, Eigenwillige fehlen, wäre im übrigen nicht einzusehen, weshalb die Beklagte für die Entwürfe der Klägerin ein ansehnliches Honorar bezahlt hat. (-) Als Indiz für das Individuelle der klägerischen Leistung kann schliesslich auch der Umstand genannt werden, dass die Beklagte die Karte der Klägerin für ihre späteren Inserate sowohl in Bezug auf die allgemeine Gestaltung als auch in Bezug auf die meisten Details der textlichen und bildlichen Ausformung als offensichtlich nachahmungswürdige Vorlage benutzte. Es liegt somit eine urheberrechtlich schützbare Leistung der Klägerin vor. (-) Die wesentlichen Gestaltungselemente der Karte der Klägerin finden sich auch in den neuen Inseraten der Beklagten. Es ist schlicht nicht vorstellbar, dass die Gestaltung der Inserate der Beklagten anders entstanden ist, als durch bewusstes Nachahmen der von der Klägerin geschaffenen Vorlage. Das war urheberrechtlich nur unter der Voraussetzung der Zustimmung der Klägerin zulässig.

"Zustimmung nie erteilt"
Eine ausdrückliche Zustimmung zur Verwendung ihrer abgeänderten Arbeit zur Publikation von Inseraten hat die Klägerin der Beklagten nie erteilt. (-) Im Beschrieb der fakturierten Tätigkeiten heisst es u. a.: "7 Fotografien ab Bildagentur inkl. Verwendungsrechte zum Einsatz als Mailing." Ferner enthält die Rechnung den Vermerk: "Abtretung des Verwendungsrechts im Rahmen dieses Auftrages". Damit ist klargestellt, dass der Beklagten die Rechte zur Werkverwendung nur beschränkt übertragen worden sind: Sie durfte lediglich die gelieferten Karten zum Mailing verwenden. Die Beklagte wurde insbesondere nicht ermächtigt, die von der Klägerin entworfene Bildgestaltung zu ändern und zur Publikation von Inseraten zu benutzten. Indem die Beklagte solche Inserate in Zeitschriften und in einer Zeitung aufgab, verletzte sie somit das Urheberrecht der Klägerin.

"angemessener Ersatz": Gebühr
Bei Urheberrechtsverletzungen rechtfertigt es sich, im Sinne eines angemessenen Ersatzes eine Lizenzgebühr zuzusprechen, die zu bezahlen gewesen wäre, wenn um die Erlaubnis nachgefragt worden wäre. (-) Zwischen den Parteien sind keine Abmachungen darüber getätigt worden, welche Entschädigungen die vom ursprünglichen Vertrag nicht gedeckten Nutzungen zu entrichten seien. In solche Fällen ist es richtig, die allgemeine urheberrechtliche 10%-Regel heranzuziehen (vgl. Art. 60 Abs. 2 URG), die auch der Regelung der von der Klägerin eingereichten "Arbeitsgrundsätze und Honorarordnung der Allianz Schweizer Werbeagenturen" (Ziff. 7) entspricht (Urteil vom 24.1.1995, publiziert in BJM 1995, 248 ff.).

Anmerkung: Gestützt auf diese Richtlinien sprach das Gericht der Werbeagentur 10 Prozent der gesamten Inseratekosten (insgesamt 32'000 Franken), d.h. Fr. 3200.- zu.

Auch wenn einzelne Text- oder Bildelemente eines Prospekts nicht urheberrechtlich schützbare Kunstwerke sind, kann der Prospekte als Ganzes geschützte Originalität und Individualität erreichen: durch Layout, Typografie und Gesamtgestaltung (Im Bild: Ausschnitt aus dem Prospekt "ThaminaTherme").

von Dr. iur. Bruno Glaus


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